Der Austausch wächst

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DAS will doch kein Mensch mehr hören

Schwedt, 28. Februar 2024

Liebe Nora, das will doch kein Mensch mehr hören – ich kann ihn förmlich sehen, den stillen Ausruf in den Köpfen der meisten Menschen, wenn das Thema Corona auftaucht. Sie haben recht damit, aber warum? Für mich liegt das auf der Hand. Corona hat uns alle überfordert.

Vor vier Jahren fragtest du Hannelore: „…jetzt über Corona schreiben, hältst du das für eine gute Idee? Wofür? Was willst du damit? Ich bin ein bisschen vorsichtig geworden. Es ist nicht mehr ganz einfach, offen seine Meinung zu sagen.“

Vor vier Jahren war diese Äußerung hoch brisant und heute ist sie es immer noch, sogar um einiges brisanter.
Wir kennen das vom Wachstum. Ein Kind, ein junger Baum, beide können nicht immer nur in die Höhe wachsen. Irgendwann ist Schluss damit. Genauso ist es in der Wirtschaft, auch wenn den Menschen seit dem „Wirtschaftswunder“ im Westen und den Ostdeutschen nach der Wende immer etwas anderes eingeredet, eingebläut worden ist – immer weiter, immer höher, immer schneller. Nein! Aber ich will beim Thema bleiben. Fest steht, nichts wächst ewig in die Höhe, alles findet irgendwann seine natürliche Grenze.
So ist es auch mit der Wut und der Hilflosigkeit, die sich seit Corona breit gemacht haben. Selbst für die Gleichgültigkeit trifft das zu. Irgendwann ist eine Grenze erreicht – entweder in Form einer Implosion (die ist vielfach zu erleben – um wieviel ist die Depressionsrate gestiegen?) oder einer Explosion und die ist gefährlich, denn sie könnte sich vielleicht nicht kontrollierbar selbstständig machen.
Auf die Stunde Null, so nenne ich sie jetzt mal, die Stunde, die mit Corona begann, folgten aus „heiterem Himmel“ immer neue Ereignisse. Mehr noch, eins löste das nächste ab, überholte das letzte und vorletzte und alle überrollten uns und überrollen immer weiter. Corona, die Ukraine, Nordstream, Palästina, der Jemen. Was kommt als Nächstes? Ganz abgesehen von unserer Innenpolitik.
Als Beobachter könnte man ein System dahinter vermuten. Vermuten klingt besser als Theorie und System besser als Verschwörung. Vielleicht wird man sich später einmal sagen: „Sieh an, einige wollten, andere konnten den Plan dahinter nicht erkennen. Viele wurden von Wenigen darauf hingewiesen aber die sahen weg und glaubten nur, was in ihrer Zeitung stand“.

Will man Corona aufarbeiten, muss man all das im Zusammenhang sehen. Die Zeiten in denen man sich zweimal überlegt, was oder wie man es sagt, sind seit Corona nicht vorbei, sondern sind gefährlich gewachsen. Meinungsfreiheit läuft Gefahr ein verbotenes Wort zu werden, ebenso wie das Wort Wahrheit. Und dass der Mensch all dessen überdrüssig wird, ist normal.
Damit die Menschen ins Sehen, ins Verstehen und schließlich ins Handeln kommen, denke ich, müssten sich die Verschnaufpausen-Intervalle weiter dramatisch verkürzen, müsste noch schneller überrollt und die Maße des Erträglichen überschritten werden.
Aber die Aufklärung ist so unglaublich zähflüssig, dass sich Kant oder Lessing, würden sie heute leben, vor Ungeduld vermutlich schon die Fingernägel bis zum Handgelenk abgebissen hätten.
Nora, meines Erachtens steht sehr viel, wenn nicht sogar alles auf dem Spiel. Corona-Überforderung, Medienüberflutung hin oder her, man muss sich beschäftigen und das System hinter allem erkennen. Wir müssen das große Ganze betrachten und uns nicht in Details verlieren. Die Erkenntnisse müssen unermüdlich kommuniziert und diskutiert werden. Mit diesem offenen Brief für deinen Blog fange ich damit mal an.
Beste Grüße, Paul.

 

Jo-Papa ist müde

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Vom Kampf gegen Windmühlen

Berlin, 26.2.2024

Liebe Nora,

Eigentlich bin ich müde gegen die Windmühlen dieser kaputten Welt anzugehen. Ja ich war vorgestern (24.2.24) auf der Friedensdemo vor dem Bundeskanzleramt, so wie ich seit  Jahren auf nahezu allen Friedensdemos in Berlin war. Krieg oder Frieden – das ist für mich die existentielle Frage der Menschheit. Wir stehen nur ein paar Schritte vor dem Abgrund und mit der, durch die Regierungspolitik und durch große Teile der Medien entfachten, Kriegshysterie nähern wir uns diesem Abgrund bedenklich. Da du diesen Briefwechsel auch als Zeitdokument ansiehst, möchte ich in Erinnerung rufen:

  • Die Außenministerin Annalena Baerbock sagte Anfang  2023 vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg: „Ja … wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“

 

  • Der Verteidigungsminister fordert „Wir müssen kriegstüchtig werden“

 

  • Die FDP Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages Agnes Strack-Zimmermann rief kürzlich auf „Zusammen bis zum Sieg“

 

  • Der CDU-Politiker und Mitglied des Deutschen Bundestages Roderich Kiesewetter forderte vor ein paar Tagen „Der Krieg muss nach Russland getragen werden“.

 

Wo sind in Deutschland die Politiker geblieben, die sich nicht für den Krieg, sondern für den Frieden verantwortlich fühlen?
Wo sind die Politiker geblieben, die wie seinerzeit Helmut Schmidt nach dem Maxime handeln  „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen“?
Wo sind die Politiker geblieben, die sich wie Altbundeskanzler Gerhard Schröder  während des völkerrechtswidrigen Irakkrieges der USA 2003, dem Drängen der USA widersetzen und sich nicht an Kriegen beteiligen?
Ich rufe übrigens in Erinnerung, dass die USA diesen Krieg mit einer Lüge über angeblich existierende Massenvernichtungswaffen, die es nie gab,  begründeten. Meine Skepsis gegenüber der USA-Politik resultiert u. a. aus dieser Lüge, denn wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Ich jedenfalls glaube den USA nicht.

Statt Kriegshysterie wünsche ich mir Friedensdiplomatie. Friedensdiplomatie setzt allerdings voraus, dass man diese elendige Schwarzweißmalerei, mit der sowohl die Politiker als auch die Mainstreammedien agieren (und manipulieren),  überwindet und hinterfragt, ob man selbst tatsächlich dem Reich des Guten angehört  und man die Russen zurecht im Reich des Bösen ansiedelt.

Wie nur soll dieser gordische Knoten des „Gut und Böse Denkens“ überwunden werden?

Die Russen sehen sich nicht als das Reich des Bösen, wohl aber sieht der Westen das so.
Der Westen sieht sich als das Reich des Guten. Die Russen sehen das ganz anders.
Was hilft?
Helfen tut da wohl nur ein Blickwechsel, wenigstens der Versuch, sich in die Sichtweise des jeweils anderen zu versetzen.

Ich übe es permanent.
Momentan lese ich ein Buch von Valentin Falin. Falin war in den 1970-er Jahren sowjetischer Botschafter in Bonn. Mit Blick auf den 2. Weltkrieg und mit Blick auf seine Familiengeschichte schreibt er: „Zählt man die Angehörigen meiner Frau hinzu, ergibt sich, dass von den 27 Millionen sowjetischer Bürger, die der Hitler-Invasion zum Opfer fielen, 27 Menschen mit mir verwandt oder verschwägert waren.“
27 tote Familienangehörige infolge des barbarischen Angriffskrieges Hitlerdeutschlands auf Russland – welch ein Trauma. Aus diesen Erfahrungen heraus und aus vielen Nachkriegsereignissen erwuchs das russische Sicherheitsbedürfnis.
Die NATO hat mit ihrer Osterweiterung dieses historisch bedingte Sicherheitsbedürfnis der Russen sträflich ignoriert. Die Russen haben mit ihrer Geschichte einen anderen Blick auf den Westen als dieser auf sich selbst. Das zu ignorieren ist ahistorisch, unverantwortlich und dumm.

Umgekehrt haben insbesondere Polen und die Baltischen Staaten ihren historischen Blick auf die UdSSR und auf die Russen. Ich nenne hier als Beispiel das verbrecherische Massaker der Russen im April 1940 bei dem 4400 polnische Kriegsgefangene erschossen wurden – ein Trauma für die Polen. Aus diesen historischen Erfahrungen resultiert das polnische Sicherheitsbedürfnis gegenüber den Russen.

Solche wechselseitigen Sicherheitsbedürfnisse zu ignorieren und umzuinterpretieren ist gefährlich und zeugt von einer gewollten oder ungewollten Arroganz der Politiker. Ich spreche bewusst davon, dass das Sicherheitsbedürfnis der Russen vorsätzlich in Aggressivität uminterpretiert wird. Pausenlos wird uns erzählt, dass die Russen erst die Ukraine, dann die Baltischen Staaten und dann den Westen angreifen wollen. Für wie blöd und selbstmörderisch hält man die Russen eigentlich.

Leider machen die Russen es einem nicht einfach zwischen Sicherheitsbedürfnis und Aggressivität zu unterscheiden. Ich selbst hätte nie erwartet, dass Russland die Ukraine militärisch angreifen würde. Dieser Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein verbrecherischer Krieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Er ist aber ein Krieg, für den auch der Westen und die NATO eine Mitverantwortung tragen, weil der Westen und die NATO das historisch bedingte  Sicherheitsbedürfnis Russlands ignorierte.

Ich bin für Friedensverhandlungen statt für Kriegshysterie.

Friedensverhandlungen setzen allerdings die Bereitschaft voraus sich in die Denkweise des jeweils anderen zu versetzen und nach Kompromissen zu suchen. Ohne Kompromisse wird es nicht gehen.

Fehlt diese Bereitschaft zu Kompromissen steuert die Menschheit auf einen 3. atomaren Weltkrieg zu und wird untergehen. Untergehen werden dann auch all diejenigen, die Taurus-Marschflugkörper und Dark Eagle-Hyperschallraketen für die Ukraine fordern. Wer Krieg nach Russland tragen will (Roderich Kiesewetter) wird den Krieg nach Deutschland tragen.

Vielleicht noch folgenden Gedanken, den ich nur anreißen möchte. Deutsche Politiker (u.a. Finanzminister Lindner von der FDP) fordern Deutschland mit immer mehr Rüstungsausgaben kriegstüchtig zu machen. Lindner fordert dazu eine dauerhafte Erhöhung des Rüstungshaushalts und ein mehrjähriges Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen. Kurz er fordert ein Einfrieren der Sozialausgaben, was nichts anderes ist als die Forderung nach Kürzung der Sozialleistungen. Das gefährdet den sozialen Frieden und ist eine – ich formuliere es drastisch- soziale Kriegserklärung.

Beste Grüße an dich

dein Jo-Papa.

Lest, was Jo-Papa zuletzt schrieb.

Geht´s noch Frau Strack-Zimmermann?

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Unser deutsches Leben

Pinnow, 25. Februar 2024

Lieber Jo-Papa,

was ist das denn für ein skurriles Foto, dass du auf Facebook geteilt. Ich bin fassungslos. Unverfrorener kann man ja wohl nicht zum Ausdruck bringen, wohin die Reise gehen soll. „Taurus für die Ukraine – Zusammen bis zum Sieg!“ Geht’s noch Frau Strack-Zimmermann? Papa, wohin geraten wir? Wohin sind wir schon geraten? Mich überläuft ein kalter Schauer.

Gestern sah ich im Schlossparktheater das Stück „Ein deutsches Leben“ – da schallte Göbbels „Wollt ihr den totalen Krieg?“ durch den Saal. Und dann die tausendfache Antwort. Sind wir wieder soweit?
Ich nicht. Ich habe gerade gegoogelt – Frau Strack-Zimmermann hat zwei Söhne – wie kann man als Mutter den Krieg unterstützen? Und – liege ich falsch, wenn ich vermute – sogar wollen?

Unlängst sprach ich mit meiner Freundin Barbara über dieses bevorstehende – oder hat es schon begonnen? – Nato-Manöver „Quadriga“. Barbara hatte noch nichts davon gehört. Ich  sagte ihr, wie schrecklich ich das finde, das größte Manöver seit der Wende und bis direkt an die Grenzen Russlands. Barbara schaut, für mich nicht nachvollziehbar, ganz gelassen darauf, findet es sogar richtig, direkt „an der Grenze des russischen Bären seine Muskeln spielen zu lassen“.

Während  ich hier schreibe, schüttele ich die ganze Zeit den Kopf. Wie blauäugig kann man eigentlich sein? Barbara hat auch einen Sohn. Anders als die Söhne von Straack-Zimmermann würde der im Falle eines Krieges, definitiv kämpfen müssen. Das ist doch so was von verblendet. Warum bekommen die Leute nicht mit, was hier gespielt wird? Wie sie benutzt und manipuliert werden. Die Wehrpflicht steht im Raum. Und danach? Die Mobilmachung. Ohne mich. Aber was können wir tun?
Warst du gestern bei der FriedensDemo in Berlin? Bitte sage mir, dass ganz viele Menschen dort waren, mindestens so viele wie auf den Demos gegen rechts!!! Das wäre ein Hoffnungsschimmer.

Ich hoffe, dass sich auch viele „Ein deutsches Leben“ anschauen. Gestern war das Theater fast ausverkauft. Im Anschluss hätte ich die Zuschauer gerne gefragt, was sie mitgenommen haben – für heute? Das Stück ist so vielschichtig. Es erzählt das Leben von Brunhilde Pomsel, Jahrgang 1911 bzw. Brunhilde Pomsel erzählt selbst, im Alter von 102 Jahren wie sie erst für einen jüdischen Rechtsanwalt und dann als Sekretärin für Joseph Goebbels gearbeitet hat.
Philip Tiedemann, der das Stück inszenierte, sagt u.a.: „Hitler mag tot sein, aber Goebbels lebt! Seine Reinkarnation sehen wir in den USA oder Brasilien, in England und Ungarn, in Russland, in der Türkei… – und in Deutschland?“ Dieter Hallervorden, der Intendant des Theaters spricht ganz deutlich von einer Parallele zur AfD. Meine große Hoffnung ist, dass die Menschen auch die Parallelen zu all dem anderen sehen, das in Deutschland und der ganzen Welt gerade komplett schief läuft – dieses Kriegsgeheul, die Manipulation durch die Medien, die Spracheinengung und was da noch alles läuft. Es ist so viel.

Papa, ich genieße jetzt den Sonntag. Die Sonne scheint. Ich nehme das als gutes Omen.
Wir kämpfen weiter!
Liebe Grüße, deine Nora.

PS: Wer ist eigentlich dieser Urs Dürrkopf, der sich an jedem deiner Facebookeinträge so abarbeitet?

 

 

 

Quelle für das Beitragsfoto: Die ukrainische Abgeordnete Yevheniia Kravchuk postete am 17. Fenruar 2024 auf X (vormals Twitter) ein Foto, auf dem sie neben Strack-Zimmermann zu sehen ist.

 

 

Barbara macht sich ein Bild

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Fragen stellen unerwünscht

Berlin, 21. Februar 2024

Halleluja liebe Nora,
da habe ich ja was losgetreten. So eine harmlose Frage… Ich danke dir für deine Gedanken dazu. Um mir ein umfassendes Bild zu machen und mir dann meine Meinung zu bilden, habe ich dieselbe Frage gestern am Kollegen-Stammtisch aufgeworfen. Da wir sonst meist im Homeoffice arbeiten, hatten wir uns noch nicht dazu ausgetauscht.
Du glaubst es nicht, alle, aber wirklich alle, waren total entrüstet, wie ich es wagen kann, solch eine Frage stellen. Dann habe ich auch noch erzählt, was du mir geantwortet hast. Auweia Nora, du kannst dir nicht vorstellen, was da abging. Keine Sorge, deinen Namen habe ich nicht erwähnt, aber ich habe jetzt echt ein Gefühl dafür, was mit Kontaktschuld gemeint ist. Wenn ich daran denke, kriege ich gleich wieder Schweißausbrüche – die habe ich ja permanent, dieser hier  allerdings hat definitiv nichts mit den Wechseljahren zu tun.
Um irgendwie aus der Sache rauszukommen, habe ich mich aufs Fragen verlegt, ich wollte einfach nachhaken, ich habe ja tatsächlich keine Ahnung. All das, was hier und auf der ganzen Welt gerade abgeht, ist mir echt zu viel, da steigt doch kein Mensch mehr durch.
Aber Fragen sind auch falsch, mir wurde vorgeworfen, die benutze ich doch nur als  Deckmantel, um antidemokratische und menschenverachtende Denkweisen salonfähig zu machen. Wenn ich das jetzt aufschreibe, bleibt mir glatt nochmal die Spucke weg. Ich als Linkswählerin. Irgendwann habe ich die Reißleine gezogen und verkündet, unbedingt selbst auf die nächste Demo zu gehen, schließlich bin ich ganz klar und definitiv gegen Nazis. Aber das eigentlich war ja meine Frage: Geht es wirklich nur gegen Nazis?
Gut, ich werde mir das anschauen. Dann weiß ich mehr. Hast du eine Ahnung, wann und wo die nächste Demo ist?
Wie sich die Situationen wiederholen – weißt du noch, als wir zu Corona und zur Impfung unterschiedliche Meinungen hatten? Damals hattest du mir empfohlen, mir diese Querdenker-Demos anzuschauen, danach war ich wirklich schlauer. Es bleibt spannend.
Liebe Grüße aus der Mittagspause,
Barbara.

 

 

 

Demos gegen rechts – Noras Antwort

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Rechts

Pinnow, 16. Februar 2024

Oh ja liebe Barbara,
ich habe eine Meinung dazu.
Plötzlich rennen sie alle auf die Straße, alle meine „woken“ Nachbarn, die ganze „woke“ Gesellschaft. Meine Sofie war auch mit dabei, meine Schwester, unser halbes Dorf, all unsere Berliner meinen plötzlich hier in der Uckermark Flagge zeigen zu müssen. Aber wo waren sie als die Bauern auf die Straße gegangen sind?
Und gegen wen demonstrieren sie da jetzt eigentlich. Gegen rechts. Wer oder was ist rechts? Werde ich nicht auch als rechts eingestuft? Weil ich der gesellschaftspolitischen Entwicklung seit bald vier Jahren sehr kritisch gegenüberstehe? –  erst als „Coronaleugner“, als „Querdenker“, „Impfverweigerer“, „Covidiot“, „Putinversteher“ – das alles zusammen ergibt doch mindestens rechts.
Wer initiiert diese Demos, die ja wirklich wie Pilze aus dem Boden sprießen? Gegen rechts, gegen Rassismus, gegen die AfD, gegen Hass und Hetze…
Während Corona habe ich u.a. gelernt lieber für etwas als gegen etwas zu sein. Und wenn ich dann auch noch sehe, dass da in vorderster Front Banner getragen werden mit der Aufforderung:  „Tötet Nazis!“, dann graust es mir. Ist das nicht Hetze, ist das nicht Hass? Was passiert da? Warum verschließen so viele Menschen ihre Augen davor?
Und denken dabei, sie wären so wach. Plötzlich wissen sie alle, wie sie sich 1933 verhalten hätten. Aber wissen sie es wirklich?
Wer ist gut? Wer ist böse? Wer entscheidet das?
Wofür stehen diese Demos? Sind sie (vielleicht nicht auch) ein Ablenkungsmanöver? Zum Beispiel von den Bauernprotesten?
Vor zwei Wochen fand in Prenzlau eine Demo gegen rechts statt, morgen die nächste in Angermünde, in Templin gab es eine, in Schwedt.  Über den Verteiler unseres „Alten Gemeindehauses“ werden wir darüber informiert und durch die Blume aufgefordert teilzunehmen „Es wäre schön“, schreibt der Vereinsvorsitzende“, wenn wir uns morgen in Angermünde sehen“. Komisch – zu den Bauernprotesten wollte er mich nicht sehen. Auch nicht als ich für unser Grundgesetz und (in dem Fall) GEGEN die Impfpflicht auf die Straße gegangen bin. Wohl aber als es plötzlich überzählige Impfdosen gab, für die Abnehmer gesucht wurden.

Die Demo morgen in Angermünde richtet sich gegen Hass und Hetze und wirbt für Vielfalt, Toleranz und Miteinander. Immerhin, das finde ich gut, ist sie nicht nur gegen, sondern auch für etwas. Und zwar alles Dinge, für die ich auch stehe. Die ich aber gerade auf diesen Demos vielfach nicht erlebe.

Was mich explizit stört ist dieser Tenor gegen die AfD. Roland Rottenfußer fragt in einem Artikel, der bei Manova erschienen ist und meines Erachtens den Nagel auf den Kopf trifft: „Wird, da nichts mehr für diese Führungsriege spricht, der Hass auf die Opposition und die Angst vor ihr als letzte Karte gezogen, um als Koalition des geringeren Übels mehr schlecht als recht weiterzuwurschteln?“
Warum, so müsste sich die Führungsriege doch fragen, hat die AfD – übrigens eine demokratisch gewählte Partei – so viel Zulauf?
Wen soll man wählen, wenn keine Partei wählbar ist? Wenn uns von allen mehr oder weniger offen ins Gesicht gelogen wird? Für mich gibt es keine Partei, die ich guten Gewissens wählen könnte.

Das liebe Barbara (und noch viel mehr) geht mir dazu durch den Kopf. Was sagst du dazu?

Liebe Grüße,
Nora.

 

 

 

 

PS: Diese beiden Artikel findeich sehr lesenswert: https://www.nachdenkseiten.de/?p=110440
https://www.manova.news/artikel/alles-was-rechts-ist-3.pdf

Denkt die wie wir?

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Corona steht noch immer zwischen uns

Berlin, 14. Februar 2024

Liebe Nora,

ich habe ein wenig Schiss, anzusprechen, was ich dir schreiben möchte, finde es aber wichtig und vertraue darauf, dass du das, was du sagst auch meinst und lebst.
Nach wie vor fand ich unseren freitäglichen Abend mir Rios Irrlichtern im „Peter Edel“ grandios, allerdings gab es für mich auch einen kleinen (großen?) Wermutstropfen. Deine Freundin Kristina, die ich eigentlich total sympathisch finde, ließ mehrfach Bemerkungen fallen, die mir echt sauer aufgestoßen sind. Du kannst dir womöglich denken, was ich meine, obwohl, vielleicht hörst du es gar nicht, weil du dich nicht betroffen fühlst, wenn Kristina fragt (was wie gesagt mehrfach geschehen ist): „Gehört der zu uns?“ oder „Denkt die wie wir?“.
Ich finde das total krass. Mir hat sich sofort alles zusammengezogen. Ich war zwar mit euch unterwegs, hatte eben noch mit euch rumgealbert und fühlte mich im nächsten Moment komplett ausgeschlossen. Zwar war ich nicht gemeint, also ich als Kristina, dennoch fühlte ich mich im Kern getroffen. Diese paar Worte haben eine Front aufgezogen. Das war eine imaginäre Konfrontation. Corona steht noch immer zwischen uns.
Nun frage ich dich: Wie stehst du dazu? Hast du es überhaupt bemerkt?
In banger Erwartung deiner Antwort, grüße ich dich – gewohnt herzlich, Suse.

Demos gegen Rechts

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Hast du eine Meinung dazu?

Berlin, 12. Februar 2024

Hej Nora,

kannst du mir auf die Sprünge helfen? Ich bin total überfordert.  Von überall höre ich, dass Freunde und Bekannte an Demos gegen die AfD teilnehmen. Diese Veranstaltungen scheinen ja wie Pilze aus dem Boden zu sprießen. Hast du eine Meinung dazu? Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll.
Ich danke dir, Barbara.

Es tut zu weh

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Absage

Grieth, 11. Februar 2024

Liebe Nora,

ich habe gerade versucht dich anzurufen. Da ich dich nicht erreiche, schreibe ich dir, was ich dir gerne persönlich mitgeteilt hätte.
Nach wie vor bin ich begeistert von deinen Projekten und finde sie wichtig. Dennoch werde ich mich nicht beteiligen. Ich bin inzwischen siebenundsiebzig und habe beschlossen, mich nur noch mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Zurückzuschauen wäre zu schmerzhaft, die Wende und unser Ankommen hier waren schwere Zeiten, dorthin zurückzukehren, auch wenn es nur in Gedanken ist, will ich mir nicht antun, das würde zu sehr wehtun.
Ich denke, das wirst du verstehen.
Komm du gut durch diese – auch wieder ver-rückten Zeiten,

liebe Grüße, Hannelore.

Was ist dran an der Überheblichkeit des Westens über den Osten

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Wird es mit einem neuen Thema weitergehen?

Pinnow, 4. Februar 2024

Liebe Hannelore,

jetzt ist es schon wieder Februar. Ich wollte dir doch längst geschrieben haben. Aber mein Leben hält mich auf Trab. Du kennst das. Wird das irgendwann einmal anders? Wenn ich von dir und deinem vielen Tun lese, habe ich nicht den Eindruck. Vielleicht ist das auch gut so.

Erinnerst du dich noch an das Theater am Rand, von dem ich zu Beginn der CoronaZeit geschrieben hatte? Die beiden Intendanten hatten damals einen tollen Weg gefunden, um sich dieser ver-rückten Zeit und ihren unterschiedlichen Auffassungen anzunähern – über die Kunst. Mit einem Stück wollten sie sich und dem Publikum begegnen. „Südliche Autobahn“ von Julio Cortázar . Geschrieben 1966, über einen Stau vor Paris, der Monate dauert. Ich habe es mir geschaut und mich gefragt: Was wollten die Künstler uns damit sagen? Oder vielmehr der Künstler. Es stand nur Thomas Rühmann auf der Bühne. Tobias Morgenstern, der Rühmann und dessen Lesungen sonst immer musikalisch begleitete (oder vielmehr interpretierte) fehlte. Die Musik kam aus der Dose. Das fand ich merkwürdig. Später sickerte durch, dass Corona die beiden  getrennt hatte – die Kunst verband nicht mehr.
Vor zwei Wochen nun las ich das Tobias Morgenstern, dessen Meinungen zum Zeitgeschehen ich teile, das Theater verlassen hat. Das bedauere ich sehr. Denn zuletzt war ich überwiegend zu seinen Veranstaltungen im Theater. Er hatte dort eine tolle Reihe ins Leben gerufen: Freies Wort – Freie Musik.  Philine Conrad, die einige dieser Veranstaltungen moderierte, schrieb einen Abschiedsbrief an Tobias Morgenstern, der in der Berliner Zeitung veröffentlicht wurde.
Philine Conrad ist gebürtige Kölnerin. Im Theater am Rand entdeckte sie einen Teil Deutschlands, der ihr so nicht bekannt war. Und damit bin ich bei meinem Thema und meiner eigentlichen Frage. Aber lies erst mal, was P.C. schreibt:

Zwei Jahre lang habe ich eine sehr wertvolle Reihe moderiert: „Freies Wort – Freie Musik“ im Theater am Rand in Oderaue, Brandenburg. Nicht nur, dass mich der Ort und die Gegend fasziniert haben (die wunderschön ist, mit Kranichen, Störchen und Graureihern – auch habe ich das damalige Fischsterben in der Oder live mitbekommen und die ausbleibende Unterstützung von Behörden und Regierung sowie die Wut der Anwohner über das Alleingelassenwerden; übrigens dieselbe Stimmung wie im Ahrtal damals.)

Es haben mich vor allem die Gespräche und Kamingespräche im Künstlerhaus in einer tiefen, intensiven Form bereichert, erfüllt und geistig erweitern und wachsen lassen. Die Überheblichkeit des Westens über den Osten beziehungsweise der Wessis gegenüber den Ossis war und ist nach wie vor zu spüren, und ich bin jedes Mal sehr bewegt nach Köln zurückgefahren. Denn so bin auch ich aufgewachsen in einem Umfeld: „Die DDR, die schlimme Diktatur, die ungebildeten und etwas dummen Ossis, die nichts von der Welt mitbekommen und daher nur einen begrenzten Horizont haben.“ Ich habe dieses ehemalige, einst andere Land ganz anders kennengelernt. Vor allem die Menschen, das Miteinander und die Reflexion über politische Entwicklungen. Es ist irre, wie kluge, durchdachte, verknüpfende und über den Tellerrand hinausblickende Prognosen und Analysen ich hören durfte. Es hat mich sehr bewegt, geprägt und bereichert.

Was sie schreibt, bewegt nun wieder mich. Rührt mich.
Ich hatte dir von der Lesung erzählt, die ich mit Papa besucht hatte – der Literaturprofessor Dirk Oschmann las aus seinem Buch: Der Osten eine westdeutsche Erfindung. Hast du es inzwischen gelesen? Oder darüber? – Oschmann und sein Buch bekamen in der Presse viel Aufmerksamkeit.
Ich würde mich so gerne mit dir darüber austauschen. Deine Geschichte, dein Zurückschauen, wie war es nach der Wende als Professorin aus dem Osten in den Westen zu gehen? Hast du die „Wiedervereinigung“ als Wiedervereinigung erlebt? Oder als Vereinnahmung? Oder … was gibt es noch? Und wie erlebst du heute nach dreißig Jahren im Ruhrgebiet das Zusammensein?
Liebe Hannelore, das ist so ein wichtiger Teil unserer Geschichte – es wäre toll, wenn du mir davon erzählen würdest, gerne auch in kleinen Happen, immer mal so zwischendurch – falls dich aus Versehen die Langeweile packt oder als Ablenkung in deinem Tun.

Ich tue jetzt aber auch erst mal weiter.
Ganz liebe Grüße,
Nora.

Tiefe Spaltung und ein Hoffnungsschimmer

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Anja Biosch, Logopädin – Januar 2024

Januar 2024

Liebe Frau Mittelstädt,

13. Januar
gerade habe ich die ersten Seiten aus dem“ Briefwechsel “ gelesen. Ich werde, so mein erster Eindruck, beim Lesen sehr tapfer sein müssen. Für mich war die CoronaZeit sehr traumatisierend und ist es noch immer. Unsere Familie ist gespalten.
In der ersten Zeit habe ich selbst versucht Tagebuch zu führen, doch schon bald fehlte mir die nötige Kraft und Ausdauer. Nun versuche ich seit ungefähr einem halben Jahr meine Erlebnisse und Gedanken rückblickend niederzuschreiben. Nach ein paar Seiten und den geweckten Erinnerungen jedoch bin ich emotional jedes Mal so angegriffen, dass ich nächtelang kaum richtig schlafen kann. Der Schmerz ist einfach zu groß. Noch habe ich nicht herausgefunden, wie ich einen besseren Umgang mit den Traumata der vergangenen Zeit finden kann.

15. Januar
Auch dieser Brief an Sie will mir nicht in einem Ritt gelingen. Ich merke, wie verwundet ich bin.
Heute nun sitze ich hier und während ich schreibe, höre ich im Hintergrund immer wieder die hupenden Schlepper und Brummis, die zuhauf in die Stadt fahren, um mit ihrem Protest gegen die Zerstörung unserer Landwirtschaft fortzufahren. Als dieser Protest vor einer Woche begann, habe ich meine Praxis geschlossen und bin gemeinsam mit meinen Mitarbeitern zur Demo gegangen. Bei klirrender Kälte haben wir selbstgebackene Pfannkuchen und Kaffe verteilt. Es war ein sehr schöner Tag, friedlich und hoffnungsvoll. Es erinnerte mich tatsächlich ein bisschen an die letzte Zeit in der DDR, obwohl die Lage insgesamt doch viel komplexer ist als damals und auch deutlich gefährlicher, wie ich finde. Dessen ungeachtet möchte ich mich jetzt erst einmal an dem großen Widerstand, der sich in der Bevölkerung zeigt, erfreuen und für die Hoffnung, die er schenkt, dankbar sein.

16. Januar
Inzwischen habe ich mich nun auch ausführlich mit Ihrem Blog beschäftigt. Einige Texte habe ich mehrfach gelesen. Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen, die Texte in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Am meisten berührt hat mich Ihre Beschreibung von der Demo am 28. August. Ihre Reflexion über Mitmachen oder Widerstand hat mich selbst auch wieder einmal zur eigenen Reflexion darüber angeregt. Es betrifft die Zeit in der früheren DDR – Widerstand oder Mitmachen – außerdem überlegte ich, wie ich mich in der CoronaZeit verhalten hätte, wenn ich noch kleine/ Schulkinder gehabt hätte. Wie hätte ich mich im Angestelltenverhältnis verhalten usw ….

23. Januar
Inzwischen ist schon wieder so viel passiert.
Die inszenierten Massenaufmärsche, infolge des ominösen Treffens in Potsdam, beunruhigen mich zutiefst. Die Spaltung der Gesellschaft, so scheint es mir, bekommt nun eine neue Qualität. Ich bin darüber ganz niedergeschlagen. Wie geschickt das Ganze eingefädelt ist, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.
Dieser sprichwörtliche Kampf gegen Windmühlen, wie er doch ermüdet und erschöpft. Ja und dann ist dieser Kampf ja auch nicht nur sprichwörtlich…
Aber natürlich freue ich mich auch weiterhin über die Proteste der Bauern und Mittelständler. Es ist ein Hoffnungsschimmer der sich hoffentlich nicht wieder verdunkelt.
Über eine Whats App Gruppe war ich gestern mit den Akteuren der Autobahn- und Grenzsperrung in Pomellen verbunden. Mein Bruder lud mich dazu ein. Der Zusammenhalt und die Kreativität aller dort Beteiligten war beindruckend und herzerwärmend.

Liebe Frau Mittelstädt, ich habe mir fest vorgenommen, Ihren Fragebogen zu beantworten. Aber es braucht noch ein wenig Zeit. Zunächst war es mir ein Bedürfnis, aus dem Hier und Jetzt auf Ihren tollen Blog zu reagieren.
Ich grüße Sie herzlich,
Anja Biosch.

Jo, 17. Januar 2024

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Denk ich an Deutschland

Meine beste Nora,

wie weiter mit dem Briefwechsel zwischen dir und mir? Dein Nachfragen, wenn wir uns sehen oder sprechen, macht mich schlaflos und ich denke an Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“.
Ich weiß keine Antworten auf die vielen Fragen, die diese kaputte Welt stellt. Oder anders gesagt: meine Antworten und Lösungsansätze finde ich in der Regierungspolitik nicht ansatzweise wieder. Die deutsche Politik ist für mich desaströs. Um dir meine Stimmungslage deutlich zu machen, gebe ich dir einige Synonyme für desaströs: desolat, fatal, katastrophal, beschissen. … Diese Attribute widerspiegeln mein emotionales Stimmungsbild.
Ich will das an drei Politikfeldern verdeutlichen.

a) Ich bin fundamental gegen die aktuelle deutsche Außen- und Verteidigungspolitik.
Ich will keinen mit militärischen Drohungen untersetzten interventionistischen Export deutscher Wertevorstellungen von Freiheit und Demokratie in andere Länder. Deutschland (und der „Westen“) ist nicht der Nabel der Welt. Genausowenig wie 2003 Deutschland am Hindukusch verteidigt wurde, wird Deutschland heute in der Ukraine verteidigt.
Ich will keine militärische Eskalation in der Ukraine. Militärisch ist der Ukrainekonflikt nicht zu lösen. Ansätze für eine friedliche Lösung des kriegerischen Konflikts hat Deutschland, hat die westliche „Wertepolitik“ viel früher verspielt. Symptomatisch dafür ist das Eingeständnis der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ zugab, dass das Abkommen von Minsk (2014) dazu diente, die Ukraine aufzurüsten.
Ich will Abrüstung statt Aufrüstung.
Ich will Friedenspolitik statt Konfrontationspolitik.
Ich will keine militärischen Interventionen.
Ich will keine 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr.
Ich will 100 Mrd. Sondervermögen für die Lösung von Zukunftsaufgaben in Deutschland (z.B. für Bildung)

b) Ich bin für ein sozial und wirtschaftlich starkes Deutschland. Ich bin bei Oxfam Deutschland. (Oxfam ist die weltweit größte Nothilfe- und Entwicklungsorganisation). Oxfam stellte in seinem aktuellen Bericht zur sozialen Ungleichheit 2024 folgendes fest: „Die fünf reichsten Männer der Welt haben ihr Vermögen seit 2020 verdoppelt, fast fünf Milliarden Menschen sind ärmer geworden. Unser Bericht macht deutlich, wie Superreiche und Konzerne von Inflation, Kriegen und Pandemie profitieren, während die meisten Menschen unter den Folgen leiden. Wir fordern deshalb eine Besteuerung großer Vermögen, um in den Klimaschutz, den Ausbau von Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Sicherung zu investieren.“
Ich bin gegen eine Politik, die extreme soziale Ungleichheit (weltweit und in Deutschland) ignoriert. Auch hier finde ich mich durch die deutsche Politik nicht vertreten. (Anmerkung: Diese Feststellung betrifft nach meiner Überzeugung auch Grundsatzfragen der Migrationspolitik. Migration ist dort zu bekämpfen, wo die Ursachen für Migration liegen. Kurz gesagt: Statt Rüstungsexport bin ich für den Export von Entwicklungshilfe).

c) Um die Demokratie ist es in Deutschland schlecht bestellt. Was ist mit denjenigen, wie mich, die sich in der deutschen Politik auch nicht ansatzweise wiederfinden? Wen soll ich wählen, wenn Wahlversprechen schamlos gebrochen werden?
(Beispiel: a) zur Rüstungspolik: Im Wahlprogramm der Grünen steht: Keine Rüstungsexporte in Kriegesgebiete, heute gehören die Grünen zu den größten Befürwortern von Rüstungsexporten an die Ukraine. Mehr dazu unter: Bundestagswahl 2021: Was steht in den Wahlprogrammen der Parteien zu Friedenspolitik, Rüstungsexporten und Atomwaffen? Schau mal unter:  Ohne Rüstung Leben !
Beispiel b) zur Sozialpolitik: SPD und Grüne versprachen die Einführung einer Bürgerversicherung: Die Bürgerversicherung soll als einheitliche Rentenversicherung dafür sorgen, dass alle Menschen in Deutschland in der gesetzlichen Rente versichert werden. Ob Arbeitnehmer*innen, Selbstständige, Beamte, Vorstandsvorsitzende von Aktiengesellschaften und Politiker. Auch dieses Wahlversprechen ist unter den Tisch gefallen.
Alternativen finde ich in unserer Politik nicht. Rechtsextremismus ist keine Alternative. Politikansätze links sind nicht zu finden, da finde ich nur heilloses Zerwürfnis. Etwa 25 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der letzten Bundestagswahl nicht teil – auch das werte ich als Stimmungsbild dafür, dass man sich in der Politik nicht wiederfindet.

Mit diesem Briefwechsel will ich deiner Bitte nachkommen. Es spiegelt meine emotionale Stimmungslage wieder und gibt kein umfassendes Bild meines Politikverständnisses.

Liebe (hoffnungslose?) Grüße,
Jo-Papa.

Lest, was Jo-Papa zuletzt schrieb.

Hannelore, 31. Dezember 2023

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Silvestergruß

Krefeld, 31. Dezember 2023

 

Liebe Nora,

ich hoffe, ihr hattet eine schöne Weihnachtszeit und freut euch auf ein hoffentlich gutes neues Jahr.
Wir haben zur Zeit ein volles Haus. Anke kam bereits über die Weihnachtsfeiertage mit ihrer sechsköpfigen Familie aus England. Allerdings war ihre Anreise sehr beschwerlich, die französischen Bahnmitarbeiter haben gestreikt, zum Glück konnten Anke und Familie auf die Fähre ausweichen.  Bei orkanartigem Sturm und Regen war jedoch auch das nicht ohne. Wir waren froh als sie endlich hier ankamen. Samuel hat es dann erst einmal mit Fieber niedergestreckt, glücklicherweise blieb der Test negativ, so dass unsere Familienfeier wie geplant stattfinden konnte.
Auch den größten Wunsch der Kinder haben wir erfüllen können– endlich einmal einen deutschen Weihnachtsmarkt besuchen. Regen, Sturm und Stau hat ihrer Begeisterung keinen Abbruch getan. Ihre Kinderaugen glänzten. Für mich war es der reinste Irrsinn. Und dann noch diese Preise. Unglaublich. Wo soll das hingehen?
Heute Abend wird es noch einmal hoch hergehen. Die Kinder erwarten eine große Party. Wir werden tanzen und Karaoke singen. Ich bin sehr gespannt.
Wie feiert ihr Silvester?

Ich wünsche euch jedenfalls ein gutes Ankommen im neuen Jahr
und freue mich von dir zu lesen.
Liebe Grüße,
Hannelore.

  • 57.429

Wenn reden unmöglich wird

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Nora, 19. Dezember 2023

Lieber Jo-Papa,

hier kommt wie versprochen, der Text den ich über meine Demo-Erlebnisse geschrieben habe.

______________________________

 

Wenn reden unmöglich wird,
Was können wir dann tun?

 

Durch die Straßen ziehen. Trommeln, singen, klatschen, lachen…

Berlin war ein Fest. Energetisierend. Herzerwärmend. Wir sind sooo viele. Eine Kraft.

Die ausgebremst, die aufgehalten, die mundtot gemacht werden soll.

 

Es ist der 28. August 2021. Die Demokratiebewegung sammelt sich in Berlin. Ich bin noch keine fünfzehn Minuten im Zug –  aus der Friedensstraße kommend, passieren wir die Landsberger Straße – als es losgeht. Rechts und links von uns beginnt ein schwarz vermummtes eiliges Rennen. Wir sind auf der Hut. Überlegen, was könnten sie wollen. Uns in den Friedrichshain treiben, um uns dort einzukesseln?

Pfingsten habe ich das so schon einmal erlebt, an der Siegessäule im Tiergarten. Anders als heute waren wir damals nicht Tausende, sondern maximal fünfzig Menschen. Aber offenbar brandgefährlich. Brutalst wurden damals einer Frau, mit der wir eben noch gesungen hatten, die Arme verdreht. Tief gebeugt mit schmerzverzerrtem Gesicht wurde sie an mir vorbeigeführt. Ich war schockiert, brüllte ehrlich empört: „Das könnt ihr doch nicht machen!“ Meine Freundin zog mich zurück. Zwei Stunden dauerte unsere „Maßnahme“ damals. Mein Tamburin wurde beschlagnahmt. Meine Freundin ist bis heute traumatisiert.

Der Zug teilt sich. In Parkläufer und Straßenläufer. Wo ist die Polizei? Daaa!!! Ein schwarzer Arm zieht plötzlich an der Trommel, die neben mir läuft. Die Frau, die an der Trommel hängt hat keine Chance. Ebenso wenig wie ihre Gefährten. Der Trommler mit der größten Trommel steht wenig später breitbeinig mit erhobenen Armen an der blauen Minna. Ich weiß nicht mehr, ob er durchsucht wird. Ich zücke mein Handy. Mitschnitte (für den UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer) sind derzeit unsere einzige Chance, etwaige Polizeigewalt aufzuhalten.

Hilflos stehen wir um die abgeschirmten Musiker. Meine Freundin erkundigt sich bei der Trommlerin, wie wir helfen könnten. Ein Polizist unterbindet jedwedes Gespräch. Ein anderer blafft eine weitere Trommlerin an: „Wenn die Polizei arbeitet, haben Sie Folge zu leisten! Haben Sie das verstanden?“ Unsere Trommlerin versucht es mit einem Gespräch, sie sagt: „Die Leute gehen weiter, ohne dass wir trommeln. Dass heißt, es ist nicht so, dass wir die Leute zum Gehen animieren. Sie gehen trotzdem.“ Der Polizist schweigt.
„Dürfte ich wissen, weshalb Sie uns festhalten?“ Starren. Schweigen. „Darf ich nicht?!“ Ein Stückchen weiter platzt einer dritten Trommlerin der Kragen, sie ruft: „Sie halten mich fest, wie eine Schwerverbrecherin. Eigentlich bin ich sogar Nazi. Was dürfen wir? Immer brav Steuern zahlen, immer brav  ´ne Spritze abholen in Zukunft als Dauerabo …“ Nun endlich reagiert ein Polizist: „So, eine schöne Rede haben Sie hier geschwungen. Ich weise Sie noch mal darauf hin, das ist eine polizeiliche Maßnahme, Sie hören jetzt einfach mal zu“. In mir rebelliert es. „Hört uns denn einer zu?“ NEIN! Verdammt noch mal. NEIN!!! Ignoriert, diffamiert, in die rechte Ecke getrieben. Und weiter geht es: „Sie tanzen hier nicht rum, als wenn Sie eine Party feiern. Sie bleiben hier stehen, bis ich Ihnen sage, wie es weitergeht. Haben Sie das verstanden?“

Ein älterer Mann, wie ich als Zeuge filmend, fragt: „Wie fühlen Sie sich dabei? Was erzählen Sie Ihrer Frau und Ihren Kindern heute Abend? Dass Sie wieder eine Maßnahme durchgeführt haben?

„Geht ruhig weiter“, rufen uns die Trommler zu.

Fünf Stunden später sehen wir sie wieder. Musizierend mit Tamburins und klitzekleinen Trommeln. Montag, erzählen sie uns, könnten sie ihre großen Trommeln wieder abholen.

In den fünf Stunden dazwischen ziehen wir durch die Berliner Innenstadt. Immer wieder sehen wir Polizeigewalt. Auffallend ist, dass jedes Mal der gleiche Trupp zuschlägt. Meist an Hauseingängen und Tordurchfahrten. Gruselig. Einmal, als ein Mann aufgehalten und geschubst wird – seine Brille fliegt in hohem Bogen auf die Straße – geht es wie Pfingsten mit mir durch: „Das könnt ihr doch nicht machen!“, brülle ich den drei Polizisten zu, die sich – die Schubsattakte absichernd – vor uns Nachfolgenden aufgebaut haben. In meiner Empörung habe ich keine Angst. Meine Freundin Katja schon. Sie nimmt mich bei den Schultern und sagt „Komm Nora“. An den Polizisten vorbei führt sie mich durch deren Schutzriegel wieder in die Reihe der Demonstranten.

Unser Zug wird zu einem einzigartigen Festumzug. Wir lassen den Prenzlauer Berg hinter uns, spazieren durch Mitte, durch Moabit – von den Balkonen werden wir überwiegend gefeiert, uns wird gedankt. Wieder läuft eine Trommlerin neben mir, eine schon ältere Dame. Ich frage sie, ob sie keine  Angst habe. „Nein“, antwortet sie, „ihre Trommel gebe ihr eher ein Gefühl von Sicherheit“. Wir singen, sie trommelt. Wenn die Antifa auftaucht rufen wir „Nazis raus!“, später, als wieder mehr und mehr Polizisten neben uns hergaloppieren, ich sehe wie sie schwitzen in ihrer Montur“, skandieren wir: „Alle zusammen gegen den Faschismus!“

Wie schön wäre das!!! Alle zusammen gegen diejenigen, die gerade dabei sind unsere Grundrechte zu zertreten und parlamentarische Strukturen aufzulösen. Oder noch viel besser: Alle zusammen DAFÜR, dass unsere Grundrechte geschützt und parlamentarische Strukturen erhalten und verbessert werden.

Es ist noch nicht so weit. Mitten auf der Brücke stoppt uns die Staatsgewalt. Zunächst ist es nur eine löchrige Kette. Einige Demonstranten „passieren“ noch. Dann jedoch wird aufgerüstet. Plötzlich stehen sie da, Schulter an Schulter, die Hände zu Fäusten geballt vor der Brust verschränkt. Ich stehe zirka zehn Meter entfernt, am Gitter zum gegenläufigen Fahrstreifen. Gemeinsam mit anderen will ich hinüberklettern, raus aus dem eingeklemmten Pulk. Polizisten hindern uns: „Bleiben Sie, wo Sie sind!“ „Sie dürfen hier nicht rüber!“ Ein Mann fragt, weshalb nicht. Keine Reaktion. Schwarz vermummt, die Maske im Gesicht stehen die jungen Männer vor uns. Sie verziehen keine Miene. Nur Ihre Augen huschen hin- und her. Ab und an feuert einer: „Bleiben Sie, wo Sie sind!“

Ganz vorne in der ersten Reihe, das erfahre ich aber erst später, stehen meine Freundinnen Claudia und Lydia. Ein Meter trennt sie von den Polizisten, die alle behelmt sind, ihre Visiere jedoch noch oben tragen. Claudia und Lydia und die Menschen neben ihnen recken ihre Arme in den Himmel. Ein Demonstrant durchläuft immer und immer wieder den Korridor zwischen Polizei und Zug und mahnt ruhig zu bleiben. Claudia, so berichtet sie später, sucht das Gespräch. Polizisten in Vollschutz sind ihr vertraut. Sie arbeitet im Maßregelvollzug. Normalerweise, erzählt sie, „hole ich die Polizisten als Hilfe“. Nun jedoch steht sie einer schweigenden Menge gegenüber. Fragen, Bitten, Gesprächsangebote werden nicht erwidert.

Wie, frage ich mich, soll Kommunikation funktionieren, wenn sie nur einseitig ist. Wie kann man ein schweigendes Gegenüber erreichen?

„Lasst uns doch einfach durch!“, ruft es von hinten. „Die Mauer muss weg“, ruft es von überall.

Die Masse schiebt.

Meine Freundin Vicky, die mit meinem Handy auf dem Gitter steht, um zu filmen, schreit plötzlich: „Mach die Augen weg. Die haben Tränengas!“ Und dann merke ich es schon im Hals. Nichts wie weg. Jetzt dürfen wir über das Geländer. Flüchten ist erlaubt.

Auf der Flucht treffen wir Claudia und Lydia. Claudia hat Glück gehabt, sie hat nur einen Atemzug voll Tränengas abbekommen. Eine halbe Minute, sagt sie, habe sie nicht mehr atmen können. Es sei wie bei dem Asthmaanfall gewesen, den sie einmal hatte. Lydia jedoch hat es voll erwischt. Und zwar völlig überraschend. Sie hatte den „Stau“ genutzt, um zu essen und zu trinken. Das Tränengas kam genau in dem Moment, als sie ihre Wasserflasche im Rucksack verstaut hatte und sich wieder aufrichten wollte. Eine Stunde brauchte sie, bis sie die Augen wieder schmerzfrei öffnen konnte. Bis in die Nacht brannte ihre Haut.

Mit zusammengekniffen, weil unglaublich brennenden Augen, fragt sie: „Warum reden die nicht mit uns?“

 

„Zu jeder Kommunikation gehört das Wohlwollen des anderen.“
Max Frisch

Endlich wieder aufeinander zugehen,
endlich wieder miteinander reden,
einander (endlich) einmal wirklich zuhören.

 

Schreibe ich auf ein Schild, dass ich mir am Sonntag umhänge, um erneut mit tausenden Menschen durch Berlin zu ziehen. Wieder begleiten uns schwarz vermummte Polizisten. Immer wieder stellen sie sich uns in den Weg – wir teilen uns, verlieren uns und finden uns wieder. Es ist ein Katz und Maus-Spiel. Doch die Energie trägt. Selbst als ich im Prenzlauer Berg in einem Kessel lande, bleibt meine Stimmung gehoben. Wir alle hier wissen, was nun passiert. Wir wissen nur nicht, wie lange es bis zu unserer „Freilassung“ dauern wird. Die Polizei natürlich verrät es uns auch nicht.

Mit einem Mal stehen zwei Jungs vor mir, so alt wie mein Hannes, zehn, elf Jahre schätze ich. Sie zeigen auf mein Umhängeschild und fragen durch FFP2-Masken: „Was wollen Sie mit Ihrem Schild sagen?“ Ich erzähle Ihnen, wie schlimm ich es finde, wenn Verwandte, Freunde, Kollegen nicht mehr miteinander reden, weil sie in Sachen Corona unterschiedlicher Meinung sind. Die beiden fragen, welcher Meinung ich denn sei. Ich sage: „Ich demonstriere hier mit.“ „Wir teilen eher die andere Meinung“, erzählen die zwei, und geimpft seien sie auch. Tun sie mir deshalb leid? Nein. Ich merke, für mich ist es wirklich okay, wenn Menschen sich und ihre Kinder impfen lassen. Nur sollen sie uns ebenfalls zugestehen, uns nicht impfen zu lassen. Die beiden Jungs, scheint mir, können das. Wir reden noch ein bisschen. Und ich denke: So kann es gehen. So sollte es gehen. Die Kinder machen es uns vor.

Wenig später redet auch ein Polizist mit mir. Er muss meine Personalien aufnehmen und mich über den weiteren Werdegang belehren. Ich frage ihn, wie es ihm mit und in solch einer Maßnahme gehe. Er ist aus Thüringen und sehr freundlich, nun jedoch etwas irritiert. Schließlich sagt er: „Ich mache meinen Job.“ Und dann noch: „Die einen haben eben diese Meinung und die anderen eine andere.“

Erst einige Tage später geht mir auf: Das hatten wir schon einmal. Damals hieß es: Ich habe nur Befehle ausgeführt.

„Befehle erhalten, Befehle erteilen, das ist dein Leben, ja?“ Genau das hatte eine der Trommlerin am Samstag den Polizisten gefragt, der sie ohne vorherige Ansprache einfach und nicht gerade sanft aus dem Zug gezogen und dann gefordert hatte: „Sie bleiben hier stehen, bis ich Ihnen sage, wie es weitergeht. Haben Sie das verstanden?“

Die Trommler hatten verstanden. Als sie am Montag ihre (zum Teil sehr wertvollen) Instrumente abholen wollten, wurde ihnen die Herausgabe jedoch verweigert. Die Trommeln, wurde ihnen gesagt, bleiben weiter verhaftet. So lange, bis vermutlich ein Richter beurteilen wird, ob die Trommeln eine Straftat begangen haben und zerstört werden oder nicht.

Inzwischen befinden wir uns im neuen Jahr. Die Trommeln sind noch immer verhaftet.

Kunst als Waffe. So schrieb es Friedrich Wolf. Lasst uns Kunst machen, lasst uns Musik machen!!! Alle zusammen! Zur Not mit Kochtöpfen und Rührlöffeln.

 

 

 

Nora, 18. Dezember 2023

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Nora antwortet auf Jo-Papas Fragebogen

Pinnow, 18

Lieber Jo-Papa,

nun habe ich dich ewig warten lassen, dabei war ich so begeistert, dass du erneut der Erste warst, der auf meinen Fragebogen geantwortet hat. Seit Tagen steht in meinem Kalender: Papa schreiben. Aber ich kam einfach nicht dazu. Seit Jens irgendwo am Bodensee versucht, seiner Sinnkrise auf den Grund zu kommen, steht mein Leben Kopf. Nicht nur, dass ich nun alles alleine zu bewältigen habe, die Kinder, die Tiere, den Garten (der zum Glück gerade Winterschlaf hält), den Haushalt, plötzlich geben nacheinander auch noch die technischen Geräte ihren Geist auf. Erst der Geschirrspüler, dann das Auto, und nun funktionierte über drei Wochen der Drucker nicht. Gestern endlich hat ihn mein Freund Stefan repariert. Du weißt, ich habe es gerne haptisch, deshalb wollte ich deine lange Antwort ausgedruckt, um mir wichtige Stellen markieren zu können und meine Bemerkungen dazu an den Rand zu schreiben – von wem habe ich das nur?

Ver-rückt

Als erstes habe ich mir unterstrichen, dass ihr bislang als einzige der Familie „coronafrei“ geblieben seid. Diese Aussage ist inzwischen überholt, ihr habt Corona gehabt. Mama hatte es ganz schön erwischt. Aber ich wage zu behaupten, auch nicht schlimmer als die eine oder andere Grippe, die sie in ihrem Leben hatte. Damit will ich nichts beschönigen. Aber mir stößt noch immer auf, was für eine Kampagne für die Impfung gelaufen ist, wie unter Druck gesetzt und manipuliert wurde. Dabei merke ich, wie vieles von alle dem Ver-rückten ich schon wieder vergessen hatte.

Fragen

Momentan läuft auf Radio München der „Briefwechsel“ als Fortsetzungsroman. Was für ein historisches Zeugnis. Mir schlackern die Ohren, wenn ich höre, was die Menschen erlebt und was sie für sich daraus abgeleitet haben. So viele von all den Absurditäten waren schon wieder raus aus meinem Bewusstsein. Was haben die Menschen alles mit sich machen lassen. Ohne zu hinterfragen! Ist das Ausrufezeichen richtig oder wäre ein Fragezeichen besser?
So langsam bricht die Schale auf. Immer wieder höre ich von Leuten, die sehr wohl skeptisch waren, aber sich nicht trauten dagegen zu sein, aus der Reihe zu tanzen und Beziehungen und Sicherheiten aufs Spiel zu setzen.
Du schreibst von deiner Risikoabwägung, die zugunsten dreier Impfungen ausfiel. Wie viel Wissen hattest du dir im Vorfeld angeeignet? Welche Quellen hast du zu Rate gezogen? Ich erinnere mich, dass ich dir vor deiner ersten Impfung energisch abgeraten hatte, dir erzählte, was für Informationen ich dazu hatte. Warst du offen dafür? Wie war es für dich, dass ich so ganz anders getickt habe, plötzlich in die Schublade der Ausgestoßenen gehörte?
Wie ging es dir damit, dass ich auf Demos war? Auf Demos, die du vermutlich verurteilt hast? Habe ich dir jemals erzählt, was ich dort erlebt habe? Ich hatte damals einen Text darüber geschrieben, den ich dann aber nie veröffentlicht habe. Ich schicke ihn dir in einer separaten Mail.

Fünf Fakten

Unlängst fand im Bundestag ein Corona-Symposium statt. Dort sprach unter anderem der Finanzwissenschaftler Dr. Stefan Homburg. Ihm gelang es in weniger als zehn Minuten die wichtigsten klinischen Fakten zu Corona zu benennen  und aufzuzeigen, dass es nie ein besonderes Krankheitsgeschehen gab. Allein die ersten fünf Stichpunkte, die er anführt, sind der Hammer. Ich schreibe sie dir einfach mal auf.

  1. 2020 sank die Klinikbelegung in Deutschland bundesweit auf ein historisches Allzeittief – sagt das Bundesgesundheitsministerium.
  2. 2020 und 2021 gab es nicht mehr schwere Atemwegserkrankungen als sonst. Corona kam, die Influenza verschwand zeitweise – sagen die Sentinel-Daten des RKI.
  3. Im Jahr 2020 starben altersstandardisiert nicht mehr Menschen als sonst auch. Erst seit 2021 nimmt die Sterblichkeit zu – sagen Daten des Statistischen Bundesarchivs.
  4. Menschen, die an oder mit Corona verstarben, waren im Mittel 83 Jahre alt und die übrigen Verstorbenen im Mittel 82 Jahre alt – sagen RKI und Statistisches Bundesamt.
  5. Das Masken- und Lockdown-freie Schweden schnitt insgesamt besser ab als Deutschland – sagt die WHO.

 

An den Maßnahmen lag es also nicht.
Und was passiert heute? „Meine“ Brandburger Gesundheitsministerin Frau Nonnemacher ruft zum Tragen von Masken auf. Dabei gibt es inzwischen (und gab es auch schon sehr frühzeitig) etliche Studien, die belegen, wie schädlich oder zumindest wirkungsfrei diese Masken sind. Wenn die einen so sagen und die anderen so, muss das doch zumindest diskutiert werden. Darum bitte ich! Deshalb bin ich so energisch für Aufarbeitung.

Zeit für Paradigmenwechsel

Wenn du schreibst, Corona sei eine ernstzunehmende Pandemie, auf die die Menschheit nicht vorbereitet war, sage ich, ja – zumindest wir Ottonormalverbraucher waren nicht darauf vorbereitet. Inzwischen gilt es allerdings als sehr wahrscheinlich, dass Corona aus einem Labor kam. Zufällig? Geplant? Wir wissen es nicht. Ich halte mittlerweile ziemlich viel für möglich. Worum geht es bei all den Spielen, die mit uns gespielt werden? Mit Sicherheit nicht um uns und unser Wohlbefinden. Das anzuerkennen ist hart. Da kippen Weltbilder. Und das ist schwer auszuhalten.

Und es geht ja weiter – Russland, die Ukraine, Israel, Palästina, das Klima, das Gendern – wir werden auf Trab gehalten. Oder abgelenkt?
Kein respektvoller Umgang – nirgendwo. Das fängt im Kleinen an. In den Familien, in Kindergärten, in Schulen, am Arbeitsplatz – vielfach werden wir geschult zu spuren und die Ellenbogen auszufahren. Dabei plappere ich nicht nach, was ich irgendwo aufgeschnappt habe, sondern das entspringt meinem Erleben – gerade als Lerntherapeutin (und natürlich auch als Mutter) bin ich sehr damit konfrontiert und kann ganz klar sagen: Da will ich nicht mitmachen!
Diesen Krieg mit Worten.
Daher verstehe ich, dass es dich empört, wenn „Impfgegner“ die Impfpolitik (darf es so etwas geben?) der Regierung als faschistisch bezeichnen. Aber ist es nicht tatsächlich faschistoid, was mit 2G versucht worden ist – die Ausgrenzung erinnert mich wirklich an düsterste Zeiten.

Worte sind Waffen

Wir müssen sehr aufpassen, was wir wie und mit welcher Absicht sagen. Deshalb frage ich dich, ob es dich genauso erregt, wenn Menschen wie ich als Covidioten, als Blinddarm der Gesellschaft, als Corona-Leugner, als Querdenker (plötzlich ein Schimpfwort), als Tyrannen, Egoisten, Gefährder, Todesengel – die Liste ließe sich beliebig fortführen – betitelt werden, und das nicht von Kalle Schmidt von nebenan, sondern von Joachim Gauck; Saskia Esken, Frank Ulrich Montgomery, Peter Maffay, Günther Jauch. Ich wurde, wir wurden von höchster Stelle stigmatisiert und ausgegrenzt.
Vor einiger Zeit hattest du mich gefragt, ob sich jemand bei mir entschuldigt hätte. Das fand ich gut. Tatsächlich gibt es in meinem Umfeld aber nur zwei, drei Personen, die mich wirklich geschnitten haben. Die Beleidigungen, die Schmähungen, die Ausgrenzung erfuhr ich überwiegend von mir unbekannten Menschen beim Einkaufen, in der Bahn und von der Polizei auf den Demos. Wie geht man damit um? Und das ist ja alles nichts gegen die Sanktionen, die andere Menschen, bekanntere Menschen mit Reichweite, bis heute ereilen, die mundtot gemacht und wirtschaftlich kaltgestellt werden – in unserer Demokratie –, bei denen mitten in der Nacht das SEK erscheint mit Maschinenpistolen im Anschlag oder denen ihre Anstellung gekündigt wird und die keine neue finden, denen also de facto ein Berufsverbot auferlegt wird. Da schaut keinen hin, das wird nicht publik gemacht – außer natürlich in den alternativen Medien. Weißt du davon? Weißt du, dass es so etwas gibt? Du schreibst von den konträren Auffassungen in unserer Familie in Bezug auf die Coronamaßnahmen, die objektiv der Ungewissheit geschuldet seien, die solch eine unbekannte Pandemie mit sich bringt. Diese Ungewissheit, wage ich zu behaupten, entsteht durch Unwissenheit. Dieser Unwissenheit aber kann abgeholfen werden. Indem man sich informiert. Und wenn diese Informationen über die offiziellen Medien nicht zu haben sind (Bringschuld), kann, darf, muss man sich diese woanders holen (Holschuld). Es gab sie. Frühzeitig. Das kostet Zeit und Energie und tut mitunter weh – aber wir könnten woanders stehen als vor dem aktuellen Scherbenhaufen.

Kollateral

Zum Glück tut sich gaaaannnzzz langsam etwas. Vergangene Woche beispielsweise berichtete die „Umschau“ des MDR tatsächlich darüber, dass ein Labor in Magdeburg starke Verunreinigungen in fünf verschiedenen Chargen des Biontec-Impfstoffs gefunden habe.
Parallel dazu verbreitet Karl Lauterbach neuerlich Corona-Panik und drängt die Leute zur nächsten Auffrischungsimpfung. Wofür? Die Impfung schützt nicht. Nicht den Geimpften und auch nicht diejenigen, die er nicht anstecken möchte. Aber Big Pharma verdient. Und das auch noch an den Opfern. Die vielfach nicht als Impfgeschädigte anerkannt werden. Ist das eine Verschwörungstheorie? Auf Radio München läuft seit Wochen eine Reihe mit dem Namen: Kollateral. Da kommen sie zu Wort, die Impfopfer. Aber wer hört das? Ich fürchte, wieder nur meine „Blase“.

 

Lieber Jo-Papa, jetzt ist es halber Nacht und hatte mir eigentlich vorgenommen, solch schwere Themen nicht mit ins Bett zu nehmen. Nun gut. Der Brief ist geschrieben. Du bist dran, wenn du magst.

Eins allerdings will ich dir schnell noch sagen: Ich bin wirklich unendlich dankbar, wie wir mit unseren unterschiedlichen Ansichten umgehen, uns zuhören, stehen lassen können, durchdenken, den Austausch immer wieder aufnehmen und uns einfach weiter lieb haben.

 

Jetzt aber Gute Nacht,
liebe Grüße,
Nora.

 

 

PS: Momentan flattern mir von überallher Adventstürchen ins Haus – hinter einer steckte eine Geschichte, die zu all dem passt, was mich und dich derzeit beschäftigt:

Ein kleiner Junge kam zu seinem Vater und wollte mit ihm spielen. Der aber hatte keine Zeit für den Jungen und auch keine Lust zum Spiel. Also überlegte er, womit er den Knaben beschäftigen könnte. Er fand in einer Zeitschrift eine komplizierte und detailreiche Abbildung der Erde. Dieses Bild riss er aus und zerschnipselte es dann in viele kleine Teile. Das gab er dem Jungen und dachte, dass der nun mit diesem schwierigen Puzzle wohl eine ganze Zeit beschäftigt sei. Der Junge zog sich in eine Ecke zurück und begann mit dem Puzzle. Nach wenigen Minuten kam er zum Vater und zeigte ihm das fertig zusammengesetzte Bild. Der Vater konnte es kaum glauben und fragte seinen Sohn, wie er das geschafft habe. Das Kind sagte: „Ach, auf der Rückseite war ein Mensch abgebildet. Den habe ich zusammengesetzt. Und als der Mensch in Ordnung war, war es auch die Welt.“

 

Werkstattbericht, 9. Dezember 2023

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Liebe Freunde des umland verlags,

ich sitze gemütlich auf der Couch, um mich herum ist alles weihnachtlich geschmückt und ich lausche meiner Lieblingsweihnachtsplatte „Weihnachten in Familie“. Draußen taut der erste dicke Schnee dieses Winters und unsere Schneemänner Günther und Gisela sacken peu à peu in sich zusammen.
Völlig unbeeindruckt davon sind „meine“ Dubties. Nach Rambazamba veranstalten sie gerade ordentlich Bambule – in der Schule. Seit zwei Jahren sitze ich an der Fortsetzung meines Kinderbuches, nun endlich geht es rasant vorwärts. Im Frühjahr soll der zweite Teil nun endlich erscheinen und der dritte wirbelt schon in meinem Kopf. Was fehlt, ist einen Illustratorin. Vielleicht und ganz eventuell habe ich sie aber am Montag gefunden.

Zwischen meinen beiden diesjährigen Abschlusslesungen im Café Kleinschmidt – nachmittags ließ ich auf einer unglaublich zauberhaft gestalteten Bühne die Dubties tanzen und am Abend rissen die Winterschmetterlinge Bäume aus – zeigte mir Barkeeper Eddi einige Kunstwerke seiner Mama, einer Malerin. Sie ist Feuer und Flamme und will sich versuchen… Außerdem gibt es noch Julia, die ebenfalls große Lust hat und an ersten Probezeichnungen sitzt. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.

Darüber hinaus  bescherte mir die Lesung in Eberswalde einen neuen fast Hundertjährigen – also auch da geht es weiter, zwei Interviews sind bereits geführt, drei weitere stehen noch an. Auch der zweite Teil der Winterschmetterlinge schreibt sich gaaaanzzz langsam weiter. Im kommenden Jahr wird, davon gehe ich fest aus, mehr als nur ein Buch erscheinen.

Um diese finanzieren zu können, brauche ich immer noch mehr Reichweite. Und jetzt seid ihr gefragt: Es ist Weihnachtszeit. Ich finde: Die „Winterschmetterlinge“, die Erinnerungen der fast Hundertjährigen („Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen. Aber nur kleine.“) und natürlich auch „Lilo und die Dubties – Rambazamba im Hühnerhaus“ sind das perfekte Geschenk! Es wäre toll, wenn ihr das per Mundpropaganda weitergebt. Ich danke euch.

Reichweite – mein Thema dieses Jahr. Was habe ich darauf hingearbeitet und die Schreiberei Schreiberei sein lassen. Das hat sich ausgezahlt.
Hört ihr Radio München? Nein? Dann aber jetzt. Über zwölf Wochen läuft mein „Briefwechsel“ jeden Montag um 16 Uhr als Fortsetzungsroman bei Radio München und zum Nachhören als Podcast auf youtube und soundcloude – https://www.youtube.com/watch?v=n7ApPwgKZ9w / https://soundcloud.com/radiomuenchen/briefwechsel-stimmungsbild-einer-krise-folge-1?utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing /
https://soundcloud.com/radiomuenchen/briefwechsel-stimmungsbild-einer-krise-folge-1?utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing.
Ich bin unglaublich froh und dankbar – zwanzig Sprecher und Sprecherinnen haben den Briefwechsel eingelesen, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Einfach der Sache wegen –  um die Menschen, die Corona auseinandergebracht hat, wieder ins Miteinander zu bringen. Ich hoffe, es gelingt.

Wie ihr wisst, habe ich bereits einen zweiten Teil des Briefwechsels begonnen. Er liegt nach wie vor im Schrank, wiegt zu schwer, belastet noch zu sehr. Ich werde ihn schreiben, sobald die Zeit dafür reif ist. Leichter geht mir der dritte Teil von der Hand. Diesen schreibe ich aktuell als Blog auf meiner Homepage:  https://umland-verlag.de/briefwechsel/.
Warum? Zum einen, weil ich Zeugnis ablegen möchte, zum anderen – und noch viel wichtiger –, weil ich FRIEDEN stiften möchte, weil ich das MITEINANDER möchte, das Miteinander-Reden. Für den aktuellen Briefwechsel hat Nora einen neuen Fragebogen entworfen – ihr seid herzlichst eingeladen, diesen zu beantworten und euch auf Noras Reaktion zu freuen: Der Briefwechsel soll breit gefächert und ein Abbild der Gesellschaft werden und einladen sich wertschätzend auszutauschen.

Das praktizieren übrigens auch die Dubties. Während meiner Lesung am Montag waren einige der kleinen bunten Kobolde mit dabei – die kleinen gehäkelten von Tante Erika kennt ihr ja schon, aber dieses Mal war auch ein richtiger Riesendubtie dabei. Im wirklichen Leben heißt er Sylvia, ist meine Freundin und Inhaberin meiner Lieblingsbuchhandlung, der Schatzinsel in Bernau. Für die Lesung im Kleinschmidt zwängte sich Sylvia für eine Stunde in einen riesigen Pappmachédubtiekopf, den meine Nichte Hannah über mehrere Wochen in akribischer Kleinarbeit und mit einer unglaublichen Kreativität gekünstlert hat, und begeisterte unsere Zuhörerschar. Unser Austausch war grandios und bei allem Blödsinn immer wertschätzend.

Ob wir das auch im neuen Band von „Lilo und die Dubties“ durchhalten?
Ihr dürft gespannt sein!

Erst einmal aber feiern wir Weihnachten – das Fest der Liebe und des Lichts!
Genießt die Zeit

Und verschenkt gerne meine Bücher J .
Herzlichst
Doreen Mechsner.

 

Hannelore, 9. Dezember 2023

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Ein neues Thema – Der Austausch geht weiter – im neuen Jahr

Krefeld, 9. Dezember 2023

Liebe Nora,

Welch schöne Idee. Leider habe ich zur Zeit viel um die Ohren und bin zudem gesundheitlich angeschlagen. Bitte sprich mich im nächsten Jahr noch einmal an.

Ich wünsche dir morgen einen schönen 2.  Advent,
sei lieb gegrüßt von
Hannelore.

Nora, 30. November 2023

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Der Osten eine westdeutsche Erfindung

Pinnow, 30. November 2023

Liebe Hannelore,

gestern Abend war ich mit Papa auf einem Vortrag von Dirk Oschmann. Er ist Literaturprofessor in Leipzig und Verfasser des Buches: Der Osten eine westdeutsche Erfindung. Sicher hast du schon von dem Buch gehört, es vielleicht sogar gelesen. Ich habe es verschlungen und gemerkt, wie sehr mich dieses Thema berührt, wie sehr es auch mein Thema ist – dabei waren mir die Fakten der immensen Ungleichbehandlung gar nicht bewusst, gleichwohl spürte und spüre ich – und das tut weh- , dass das Land meiner Kindheit irgendwie demontiert und vereinseitigt wird.

Seit ich Oschmanns Buch gelesen habe, frage ich vor allem Bekannte deiner Generation, wie sie die Wendezeit erlebt haben und vorher den Osten. Gestern Abend nun während Oschmann  aufzählte, wo heute noch, mehr als 30 Jahre nach der „Wiedervereinigung“, ein großes Ungleichgewicht (teilweise eine Verunglimpfung) besteht, musste ich an dich denken – Professorin im Ruhestand, ostsozialisiert und nach der Wende in den Westen gegangen. Aus deiner Anfangszeit dort hattest du mir erzählt.

Aber wie ist das heute, wie schaust du auf deine Geschichte und die Geschichte der Wiedervetreinigung und die dreißig Jahre, die du jetzt „Wessi“ bist? Ich glaube, du hattest mir tatsächlich einmal erzählt, dass du dich inzwischen mehr westdeutsch als ostdeutsch fühlst. Erinnere ich das richtig? Würdest du mir davon erzählen?  Das fände ich großartig.

Ich habe unseren Briefwechsel zur CoronaZeit sehr schätzen gelernt und würde ihn gerne fortführen – mich interessiert ja nicht nur Corona, es gibt so viele Themen, ständig neue. Was hältst du von einem neuen Versuch?

Liebe Grüße aus der verschneiten Uckermark.
(Heute Nacht waren es 14 Grad unter Null. Was für ein Winter mitten in der Klimakrise –das wäre auch noch ein Thema.)

Nora.

Barbara, 29. November 2023

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Barbara, 51 Jahre

Berlin, 29. November 2023

Liebe Nora,

so gerne ich deinen ersten Fragebogen auch beantwortet habe, im Moment bleibt mir so gar keine Zeit, um mir um etwas anderes als meinen Job Gedanken zu machen. Ich leite im Augenblick unser firmenweites Entwicklungsprojekt und wir liegen in den letzten Zügen. Das bedeutet: Hektik, Panik und eine Katastrophe, die die nächste jagt – wie das so ist, wenn etwas unbedingt nach Plan laufen soll und muss.

Bitte sei nicht böse. Die Verlockung ist groß, aber in der nächsten Zeit bekomme ich den Kopf einfach nicht frei genug, um adäquat über deine Fragen nachdenken zu können.
Deshalb nur ein kurzer Gedanke: Ich hätte nie geglaubt, dass sich das Virus des Homeoffice derart verbreiten würde und ich, die das Homeoffice am Anfang so gehasst habe, inzwischen mit den Augen rolle, wenn ich mal wieder ins Büro muss und den fünf Kilometerweg dorthin  unverschämt lang finde. Dass sich das Homeoffice so manifest etabliert und die Menschen (mich eingeschlossen) solchen Gefallen daran finden, habe ich schlicht für unmöglich gehalten. Mein Leben hat sich mit dieser neuen Möglichkeit des Arbeitens gravierend verändert. Homeoffice: zuerst gehasst, dann akzeptiert und mittlerweile freue ich mich darauf.
Nur an meiner Selbstausbeutung muss sich noch etwas ändern, die nämlich ist bei mir im Homeoffice unvergleichlich viel höher als sie es im Büro jemals sein könnte :-).

Dir wünsche ich viel Spaß bei der Aufarbeitung,  und toi, toi, toi,
Gruß, Barbara.

 

Nora, 24. November 2023

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Noch ein Versuch

Pinnow, 24. November 2023

Liebe Hannelore,

seit mehreren Tagen sitze ich und versuche mich an einer Antwort für dich. Ich merke, wie schwer es mir fällt zu akzeptieren, dass du kein Interesse an einem weiteren Austausch hast. Du klingst so entschlossen, das Thema scheint für dich wirklich abgeschlossen. Für mich ist es das nicht. Deshalb wage ich zu fragen, was euch über eine erneute Impfung diskutieren lässt – was spricht in euren Augen dafür, was dagegen? Ich will einfach nur verstehen…
Ansonsten hoffe ich, es geht euch beiden wieder gut.
Seid herzlich gegrüßt,
Nora.

Hannelore, 20. November 2023

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Hannelores 3. Antwort

Krefeld, 20. November 2023

Liebe Nora,

nun bin ich endlich dazu gekommen, deinen Rückblick auf die Coronazeit und auch den deines Vater zu lesen. Ich finde dein neues Projekt interessant, möchte mich aber nicht beteiligen. Bei meinen Bekannten, die vor drei Jahren meinen Fragebogen beantwortet haben, besteht ebenfalls kein Interesse. Die Stimmungslage ist einfach so, dass sich niemand mehr mit Corona beschäftigen möchte. Auch Michael und ich nicht. Uns reicht es, dass wir schon wieder darüber diskutieren, ob wir uns erneut impfen lassen oder nicht.  Wir brauchen keine gesellschaftspolitische Aufarbeitung.

Dennoch wünsche ich dir für dein neues Projekt viel Erfolg.
Liebe Grüße,
Hannelore.

Nora, 13. November 2023

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Hannelore,

du hattest mir geantwortet. Aber deine Mail war im Spam gelandet. Ich habe sie gerade entdeckt und bin nun in Sorge, dass du dich von meiner gestrigen Nachricht überrollt fühlst.
Zumal es dir und euch nicht gut geht. Ich wusste gar nicht, dass du Rheuma hast. Ist das neu? Wie lange dauert so ein Schub? Und wie macht der sich bemerkbar? Ich hoffe sehr, es geht schnell vorüber. Michael wünsche ich auch, dass er bald wieder der Alte ist.  Immer wieder höre ich, dass es einfach dauern kann.
Zum Glück gibt es aber auch immer wieder (Alternativ)Mediziner, die ihre eigenen Rückschlüsse ziehen, Ideen haben und unorthodoxe Therapien ausprobieren. Wenn die dann Erfolg haben… Das muss sich rumsprechenm, muss publik gemacht werden!
Ich erzähle gerade allen, vom Sohn meiner ehemaligen Klassenkameradin Katrin, der seit April mit Long-Covid oder Post Vac (wer weiß das schon?) zu tun hatte. Er ist Leichtathlet. Im März hatte es ihn im Trainingslager erwischt, gar nicht doll, zwei Wochen Pause, dann nahm er das Training wieder auf, gewann sogar die ersten Wettkämpfe. Danach kam plötzlich der Knock out – totale Erschöpfung, Lungenprobleme, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten. Die Ärzte konnten nichts feststellen, außer, dass nicht so viel Luft oder Sauerstoff (da müsste ich noch mal nachfragen) von der Lunge aufgenommen wurde, wie normal. Warum, weshalb – wußte niemand zu sagen. Er lief von Pontius zu Pilatius, stand auf der Warteliste der Long-Covid-Patienten der Charité, wahrscheinlich steht er da  immer noch. Ein Freund erzählte Katrin schließlich von einem Osteopathen, der versprach zu helfen, wie er bislang allen Long-Covid-Patienten, die zu ihm gekommen waren, geholfen hatte.
Und tatsächlich, es geht rapide bergauf. Noch trainiert er nicht wieder, aber die Idee vom Training ist wieder in Sichtweite. Weißt du, was das Geheimrezept war? Rotlicht. Natürlich nicht das kleine zu Hause, sondern ein Therapiestrahler in der Praxis. Katrin hatte mir alles genau erklärt. Irgendwie, das habe ich mir gemerkt, war die Muskulatur um die Lunge in großer Spannung. Die Lösung kann manchmal so leicht sein. Solche Erfolge müssen publik gemacht werden. Es muss ein viel intensiverer Austausch zwischen den Medizinern und Heilern stattfinden. Es gibt so viele Geschädigte. Auch deshalb bin ich energisch für Aufarbeitung.

Du aber werde erst mal wieder gesund.
Liebe Grüße, Nora.

Nora – 12. November 2023

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Der erste Fragebogenrückläufer – Noras Vater Jo hält Rückschau

Pinnow, 12. November 2023

Liebe Hannelore,

ich bin beunruhigt, so gar nichts von dir zu hören. Geht es dir gut? Vermutlich hast du wieder nur immens viel zu tun, du Umtriebige. Oder gärt da etwas Tieferes? Das vermeintlich Unsolidaraische? Lass uns darüber reden!
Vielleicht motiviert es dich ja zu hören, das Papa wieder der erste war, der auf den neuen Fragebogen geantwortet hat. Unglaublich, wie er im Alter an Tempo zulegt. Ich schicke dir seine Antworten und hoffe, sie motivieren dich.
Ich freue mich von dir zu lesen,
ganz liebe Grüße,
Nora.

 

Wie ging es dir in der CoronaZeit? Drei lange Jahre?

Wir, meine Frau und ich (72 und 77 Jahre alt) sind in der engeren Familie die einzigen, die bisher „coronafrei“ geblieben sind. Altersbedingt sind wir sehr vorsichtig gewesen, haben uns drei Mal impfen lassen, haben in der Zeit von 2019 bis Anfang 2023 Masken getragen und unnötige Kontakte und insbesondere Kontakte in größeren Gruppen vermieden.  Wir haben in dieser Zeit weitestgehend keine öffentlichen Nahverkehrsmittel genutzt.

Wie hast du die CoronaZeit erlebt? Drei lange Jahre lang? Was hast du gedacht, gefühlt, beobachtet?

Die CoronaZeit war für mich eine Zeit starker persönlicher Verunsicherung.

Zeitnah nach meiner ersten Corona Impfung erkrankte ich an Rheuma. Aufgrund der zeitlichen Nähe zur Coronaimpfung schloss ich das Rheuma als eine Nebenwirkung der Impfung nicht aus. Ich wendete mich an das Robert-Koch-Institut, an das Paul-Ehrlich-Institut, an das Deutsche Rheumaforschungszentrum, an das  Deutsches-Zentrum für Immuntherapie und natürlich auch an meine Rheumaärzte und bat um Informationen darüber, ob ein Zusammenhang zwischen der Impfung und meiner Rheumaerkrankung bestehen könnte. Die Antworten liefen auf Folgendes hinaus: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Arthritis ist laut unserer Experten nicht belegt.“  Nicht belegt heißt natürlich nicht, dass ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen werden kann. Ich war in einer Phase großer Verunsicherung ohne jemanden dafür verantwortlich zu machen. Für mich war Corona eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung, für die es keine gesicherten Erkenntnisse gab und auch nicht geben konnte. Im Bewusstsein möglicher Risiken und einer persönlichen Risikoabwägung entschied ich mich dann doch für eine zweite und dritte Boosterimpfung. Mit dieser Risikoabwägung schätzte ich für mich die möglichen negativen Folgen einer Nichtimpfung höher ein als die Risiken eines möglichen Impfschadens. Nach den Boosterimpfungen hatte ich keine Nebenwirkungen.

Wie hat sich dein Denken, Fühlen und Beobachten über die drei Jahre verändert?

Mein Fühlen und Beobachten des gesellschaftlichen Umgangs mit der Pandemie hat sich grundlegend über den Zeitraum der Pandemie nicht verändert. Vermutlich kann ich dieses Fühlen jetzt nur genauer Beschreiben. Corona ist eine ernst zu nehmende Pandemie, auf die, die Menschheit nicht vorbereitet war.  In allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in der Politik, mussten  Entscheidungen getroffen werden, deren Richtigkeit und Wirksamkeit ungewiss waren. Diese Ungewissheit war objektiv gegeben.  Die namentlich durch die Politik zu treffenden Entscheidungen waren objektiv mit dem Risiko verbunden, dass sie falsch sein können. Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an die Habilitationsschrift eines Freundes zum Thema „Entscheidungstheoretische Aussagen zum Risiko …“ In seiner Arbeitsthese charakterisierte er das Risiko als die aus der Unbestimmtheit resultierende Möglichkeit, dass die Verwirklichung einer ausgewählten Entscheidungsvariante nicht zur Erreichung des angestrebten Ziels führt.“ Die Coronazeit war für mich objektiv eine Zeit der Ungewissheit, der Unbestimmtheit. Es war eine risikobehaftete Zeit. Dafür kann niemand verantwortlich gemacht werden. Diese Unbestimmtheit und Ungewissheit schließt auch kontroverse Meinungen zum Umgang mit der Pandemie ein. Das schließt auch ein, dass ich andere Meinungen zur Krisenbewältigung aushalten und akzeptieren muss.  Nicht bereit war und bin ich allerdings, Corona zu verharmlosen. Rückblickend muss ich Doreen Mechsner danken, dass sie deinen Austausch mit Hannelore, der genau das thematisiert, aufgegriffen und als „Briefwechsel“ veröffentlicht hat. Unbestimmtheiten, Ungewissheiten implizieren unterschiedliche Meinungen und Haltungen. Das ist objektiv so und muss im Diskurs ausgehalten und gegenseitig respektiert werden.  Das setzt einen respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesem Anspruch ist unsere Gesellschaft nicht gerecht geworden. Das macht mir hinsichtlich des Zustandes unserer Gesellschaft große Sorgen.

Was hat dich besorgt? Geängstigt? Geärgert?

Besorgt, geärgert und mehr als genervt hat mich der gesellschaftliche Umgang mit der Pandemie. Das ist ein breites Thema. Ich versuche es auf den Punkt zu bringen. Die objektiv gegebene Unbestimmtheit im Umgang mit der Pandemie wurde in oft unverantwortlicher Weise durch parteipolitische Profilierungssucht von Politikern und wohl auch von Wissenschaftlern und Medizinern missbraucht. Vulgärpolitiker (Trump, Bolsonaro, Lukaschenko) verharmlosten die Pandemie. Andere Politiker versuchten sich durch pausenlose Präsenz in den Medien hervorzutun. Landespolitiker nutzten unser förderalistisches System um sich in einem Überbietungswettbewerb ergriffener Maßnahmen  zu profilieren und stürzten Deutschland in einen regionalen Flickenteppich sich widersprechender Maßnahmen.  Die Medienpolitik nervte mich mit ihrer  über jedes erträgliche Maß hinausgehenden inflationären Thematisierung der Corona Krise. Die Medien und Politik trugen durch pauschalisierende Verurteilung derjenigen, die die durch die Politik ergriffenen Maßnahmen kritisch hinterfragten, zu einem angeheizten Lagerdenken bei. Inzwischen hat sich gezeigt, dass lange nicht alle durch die Politik ergriffenen Maßnahmen zielführend waren und dass kritisches Hinterfragen durchaus berechtigt war (z.B. hinsichtlich der bildungspolitischen Folgen für die Schülergeneration). Ich vermisse eine Entschuldigung bei denjenigen, die für berechtigtes kritisches Hinterfragen diskriminiert wurden. (Ich betone hier für berechtigtes (!) kritisches Hinterfragen; meine also nicht diejenigen, die die Gefährlichkeit der Pandemie verharmlosten. Zum berechtigten kritischen Hinterfragen gehört auch die Ablehnung einer Corona-Impflicht. Die durch die Regierungspolitik betriebene Corona-Impflicht kann (und muss wohl auch) scharf gegeißelt  werden. Was aber gar nicht geht ist, dass Impfgegner die Impfpolitik der Regierung als faschistisch bezeichneten. Das ist eine gefährliche Verharmlosung des Faschismus.)

Sorge bereitet mir also unser politisches System, welches sich vorrangig an machtpolitischen und parteipolitischen Interessen orientiert  und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. Ich bin tief besorgt.

Wie bist du den unterschiedlichsten Situationen, wie mit den Maßnahmen umgegangen?

Sorge bereitet mir die Erkenntnis, das Corona noch nicht ausgestanden ist. Da sind zum einen die Long Covid Erkrankungen. In meinem Bekanntenkreis gibt es eine solche Long Covid Erkrankung und nach jetzigem Erkenntnisstand steht die Medizin diesem Phänomen ziemlich hilflos gegenüber. Hier unterstütze ich Initiativen des Gesundheitsministers für mehr Unterstützung Betroffener und in der Bereitstellung von Forschungsmitteln. Zum anderen bin ich nach wie vor hinsichtlich von Boosterimpfungen verunsichert. Impfschäden durch die Corona-Impfung dürfen nicht ausgeblendet werden und diejenigen, die sich mit Blick auf mögliche Impfschäden nicht impfen lassen wollen, dürfen nicht pauschal verunglimpft werden. Impfzwang bei Corona lehne ich ab. (Impfungen, nicht nur Corona-Impfungen, sind ein gesondertes Thema: „Ausgereifte“ Impfungen haben sich in der Medizingeschichte als ein Segen für die Menschheit herausgestellt. Die Coronaimpfung ist aus meiner Sicht (noch) nicht ausgereift. Ich bin für Impfungen, wenn diese „ausgereift“ sind; z. B. Impfungen gegen Masern. Ich bin gegen Impfpflicht bei „nicht ausgereiften“ Impfungen.  )

Wie ist deine Familie/ wie seid ihr als Familie miteinander in dieser Situation und mit dieser außerordentlichen Situation umgegangen?

Natürlich gab und gibt es auch in meiner Familie unterschiedliche, z. T. auch konträre Auffassungen und Meinungen zur Pandemie und den zu ergreifenden Maßnahmen. Wie oben schon gesagt, ist das objektiv der Ungewissheit geschuldet, die eine solche, für die Menschheit unbekannte, Pandemie mit sich bringt. Die so bedingten subjektiv unterschiedlichen Sichtweisen haben meine Familie nicht entzweit.

Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?

Wichtig ist es anderen zuzuhören und sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen. Dafür gibt es im Diskurs eine gute Strategie. Bevor ich in einer hitzigen Diskussion antworte, sollte ich für mich gedanklich die Argumentation meines Gegenübers wiederholen und erst dann antworten. Das hilft dabei, nicht aneinander vorbeizureden. … und wenn es gar zu arg wird, sollte man eine Nacht drüber schlafen.

Was über dein Land und die Gesellschaft, in der wir leben? Was denkst du heute über diese Zeit? Wie verhältst du dich gegenüber den neuen (alten) Krisen dieser Zeit?

Ich wiederhole mit Nachdruck: Über den Zustand unserer Gesellschaft bin ich zutiefst beunruhigt, Es dominieren kurzfristige parteipolitischen und machtpolitischen Interessen. Gesellschaftliche Visionen fehlen diesem, unserem Land. Das betrifft nicht nur den Zustand unserer Gesellschaft im Umgang mit der Pandemie, sondern insgesamt den Umgang mit den geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit (Krieg und Frieden, Rüstungspolitik  Klimapolitik, Migrationspolitik, Bildungspolitik, …) Es ist desaströs  was die Politik da liefert und es ist unverantwortlich, wie „Leitmedien“ (ARD, ZDF – um nur einige zu nennen) ihrer Verantwortung für eine unabhängige Berichterstattung nicht nachkommen. Ich distanziere mich ausdrücklich von denjenigen, die die Medien als Lügenpresse bezeichnen, kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass durch eine oft einseitige Berichterstattung und durch mediale Pauschalurteile tendenziös berichtet wird. Diese oft anzutreffende tendenziöse Berichterstattung, die einseitig dem Narrativ der Regierungspolitik folgt, halte ich für mehr als bedenklich.

 

Hannelore – 11. November 2023

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Hannelores 2. Antwort

Krefeld, 11. November 2023

Liebe Nora,

ich bitte dich um noch ein wenig Geduld. Michael geht es nicht gut, er hatte gerade zum zweiten Mal Corona und rappelt sich nur sehr langsam. Ich selbst habe mit meinem Rheuma zu tun, das nasskalte Herbstwetter tut mir nicht gut. Ich melde mich, sobald es uns wieder besser geht.
Bis dahin sei gegrüßt
von Hannelore.

 

 

Noras Fragebogen – 3. November 2023

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Noras Fragebogen

Pinnow, 3. November 2023

Liebe Hannelore,

meine Freundin Emma, die vor drei Jahren so ausführlich auf deinen Fragebogen geantwortet hatte, bat mich, ihr  auch dieses Mal einen Fragebogen zuzuschicken, an dem sie sich entlanghangeln kann. Ich denke, das könnte auch für deine Freunde und Bekannte erleichternd sein, um erneut Rückschau zu halten. Natürlich kann und darf aber auch jeder schreiben, wie es ihm die Feder (oder die Tastatur) diktiert. Ich freue mich über Rückmeldungen aller Ard(t).

Herzlichst
Nora.

 

Wie ging es dir in der CoronaZeit? Drei lange Jahre?

Wie hast du die CoronaZeit erlebt? Drei lange Jahre lang?
Was hast du gedacht, gefühlt, beobachtet?
Wie hat sich dein Denken, Fühlen und Beobachten über die drei Jahre verändert?
Wie hat Corona dein Leben beeinflusst? Beruflich? Familiär? Gesellschaftlich?
Was hat dich besorgt? Geängstigt? Geärgert?
Was hat dich gestärkt?
Wie bist du mit der Situation, den unterschiedlichsten Situationen, wie mit den Maßnahmen umgegangen?
Wie ist deine Familie/ wie seid ihr als Familie miteinander in dieser Situation und mit dieser außerordentlichen Situation umgegangen?
Wie prägte diese Zeit deine Freundschaften, deinen Freundeskreis?
Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt? Was über dein Umfeld? Dein Land und die Gesellschaft, in der wir leben?

Was denkst du heute über diese Zeit?
Wie würdest du dich aus heutiger Sicht in dieser Zeit verhalten?
Wie verhältst du dich gegenüber den neuen (alten) Krisen dieser Zeit?

 

 

 

 

Nora – 31. Oktober 2023

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Noras 2. Brief

Pinnow,

Liebe Hannelore,

mein Leben hält mich gerade ganz schön auf Trab, deshalb antworte ich erst heute – am Dienstag, der ein trüber Regentag ist, aber endlich voller Zeit. Sie rennt nach wie vor immer ein Stück vor mir her. Obwohl, ganz so stimmt das nicht, seit den Sommerferien gelingt es mir immer öfter, sie einzufangen und freundlich an die Hand zu nehmen. Ich habe ein wenig ausgemüllt, in meinem Kopf und vor allem auch meinem Kalender und eine neue Struktur gefunden. Initialzündung dafür war das Buch „Zeit als Lebenskunst“ von Olaf Georg Klein. Klein räumt darin unter anderem mit der Vorstellung (dem Hauptirrtum) auf, dass wir tatsächlich Zeit meinen würden, wenn wir von Zeit sprechen. Er sagt, wir seien mit Zeitmodellen unterwegs. Wir hier in der „modernen“ Welt, schreibt Klein, leben mit der Idee von Zeit als einer geraden in die Zukunft gerichteten Linie. Ich habe sofort die Tartanbahn vor Augen, auf der ich früher etliche Trainingseinheiten verbracht habe, natürlich immer einem imaginären Ziel – meine Zeit zu verbessern, also die vom letzten Training irgendwie einzuholen – hinterherjagend.
Vor meinem Fenster läuft ein ganz anderes Zeitmodell. Die Linde färbt sich langsam braun, die Ahornblätter liegen rot und gelb auf der Wiese, unser riesiger Walnussbaum entledigt sich seiner schweren Früchte – wir haben bestimmt schon zwanzig Kilogram aufgesammelt und es liegen noch mal so viele im nassen Gras. Durch unsere Birken können wir bereits hindurchsschauen. In ein paar Wochen wird unser Garten kahl und trist aussehen, wie tot. Aber dann, im nächsten Frühjahr …Es ist wie mit der Raupe und dem Schmetterling. Eigentlich gefällt mir dieses Zyklusmodell viel besser – vom Werden und Vergehen und Wiederkommen. Weiß der Schmetterling von der Raupe? Glaubst du eigentlich an Wiedergeburt?
Hannelore, was ist das? Kaum schreibe ich dir, gehen meine Gedanken mit mir durch. Da wollte ich doch gar nicht hin.
Sondern dir eigentlich nur meinen kleinen, ich nenne es mal, „Essay“ zu der Frage „Warum hast du nicht mitgemacht“ schicken.
Wie gesagt, ich finde die Fragestellung nicht ganz glücklich, deshalb habe ich meine abgewandelt und würde von den Menschen gerne wissen,  warum sie sich in der Coronazeit wie verhalten haben und wie sie diese Zeit und ihren Umgang mit dieser Zeit und den daraus resultierenden Gegebenheiten aus heutiger Sicht betrachten. Es wäre toll, wenn du dich und wenn sich deine Freunde wieder beteiligen würden. Vielleicht hat ja auch Michael Lust…
Ich grüße dich ganz herzlich,
Nora.

Warum habe ich nicht mitgemacht?

Wenn ich es versuche mit Humor zu betrachten, erzähle ich gerne, dass die ganze Corona-Zeit nur meinetwegen über uns gekommen ist. Ich bin ein Kind der DDR, 27 Jahre nach Kriegsende geboren und trotzdem war der Krieg in meiner Kindheit noch absolut präsent. Ich war schon in der 1. Klasse, also mit sieben Jahren, aktiv in der AG „Junge Antifaschisten“. Damals war ich traurig, habe bedauert, dass ich nicht in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt habe. Meine Zeit erschien mir so langweilig, ohne große Herausforderung. Ich wollte doch Antifaschistin sein, wie meine Vorbilder Käthe Niederkircher, Lilo Herrmann, Fiete Schulze, natürlich Ernst Thälmann und und und… Ich war überzeugt, ich wäre eine von ihnen gewesen, unbeugsam. Erst langsam dämmerte mir, dass das gar nicht so zwangsläufig anzunehmen war, vielleicht hätte ich mich geduckt, hätte geschwiegen, wäre Mitläuferin geworden oder sogar Täterin – wer weiß das schon.

Die Corona-Zeit hat mir gezeigt, dass ich mit meiner kindlichen Überzeugung mit Sicherheit Antifaschistin gewesen zu sein gar nicht so falsch lag. Ich war widerständig.

Warum? Wenn ich es – im Sinne von Daniele Ganser – ganz knapp runterbreche, habe ich wohl einfach eine andere Angst gehabt, als alle diejenigen, die, wie immer auch, mitgemacht haben. Ich hatte Angst, meine Freiheit zu verlieren, meine Autonomie und irgendwie – durch die Spritze – auch meine Gesundheit.
Die Angst meines Mannes war eher eine existentielle – er sieht sich als Versorger der Familie, diesen Status wollte er nicht gefährden, dafür hätte er sich  – er ist im Gesundheitswesen tätig – fast impfen lassen. Zum Glück bekamen wir genau zum richtigen Zeitpunkt Corona und damit war er sechs Monate lang „geschützt“. Danach war das Thema vom Tisch.

Anfänglich hatte ich Angst vor Corona. Fürchtete in drei Wochen tot sein zu können. Oder schlimmer, eins meiner Kinder. Was tun? Mich aus Angst verkriechen? Nein! Ich wollte, wenn, dann aus dem Leben heraus sterben. Bei uns auf dem Land ging das mit dem Leben ganz gut. Im Prinzip waren wir frei.

Dann erreichten mich erste Botschaften von Menschen, die anders auf das Geschehen schauten. Es gab erste Daten und es gab Mediziner wie Wodarg, Schiffmann und Bhakdi. Warum wurden sie nicht gehört? Sogar verunglimpft? Das machte mich skeptisch. Ich begann Corona und das Drumherum zu studieren.

Ich stolperte über Begriffe wie „symptomlos erkrankt“.
Es dauerte lange, bis im Umfeld meines Umfeldes überhaupt jemand erkrankte. Diejenigen die es traf, posteten fleißig in den sozialen Netzwerken – das musste ja eine schlimme Krankheit sein.
Der Vater einer Bekannten starb an Corona – ein Arzt, 83 Jahre noch immer als Arzt tätig, behandelte er ungeschützt – in unserem hochgerühmten Gesundheitssystem fehlte es einfach an Schutzkleidung.
Ich lernte einen Intensivpfleger kennen, er war Springer, in mehr als einem Dutzend Berliner Krankenhäusern unterwegs. Er zeichnete ein anderes Bild als das, das uns in den Medien verkauft wurde.

Ich fragte mich, warum uns die Regierung keine gesunden Lebensmittel und Vitamin D und C verordnete? Warum sie uns stattdessen einsperrte und uns damit vorbeugende Maßnahmen wie frische Luft und Bewegung nahm? Wie konnte man Sport verbieten? Wie Kultur, wie Beieinandersein? also soziale Medizin? Wie konnte man uns zwingen, uns selbst die Luft zum Atmen zu nehmen – mittels eines Wischs vor dem Mund? Da rebellierte mein gesunder Menschenverstand? Für mich war die Maske von Anfang an ein Maulkorb.

Ich hörte Ken Jebsen.
Ich ging raus, veranstaltete mit Freunden Demos, fand Gleichgesinnte, durchweg schlaue Menschen mit Fachkenntnissen. Wir sind bis heute befreundet – ein positiver Coronaeffekt. Der neue Freundeskreis wächst immer weiter. Dieser Kreis war mein Rückhalt, ist es bis heute.

Mir gefällt die Bezeichnung „moralischer Kompass“. Dem bin ich gefolgt. Ich habe mich belesen, geforscht, recherchiert, ausgetauscht, ich war bereit auch an meiner Sicht zu zweifeln, habe anfänglich sogar gehofft, falsch zu liegen, aber alles was ich mir an (Halb)wissen aneignete, ließ mich immer wieder zu dem Schluss kommen, dass hier etwas gehörig schief läuft. Dass es nicht um unsere Gesundheit geht.

Die Impfung verstand ich viel mehr als Angriff. Und als Einnahmequelle für die Pharmallobby. Normalerweise brauchen Impfungen an die zehn Jahre für ihre Entwicklung. Für das Corona-Therapeutikum wurden alle Sicherheitsstufen über den Haufen geworfen. Es wurde vom ersten Coronatag an als einzige Lösung gehypt.
Plötzlich gab es richtige und falsche Wissenschaftler. Wissenschaftler, die mit – erschütternden Mitteln – mundtot gemacht wurden.

Das Mittel der Wahl für alles – ANGST.
Meine war einfach eine andere, als die vieler anderer Menschen.

Nora Mittelstädt

Hannelore – 25. Oktober 2023

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Hannelores 1. Antwort

Krefeld, 25. Oktober 2023

Liebe Nora,

ich bin hin- und hergerissen, einerseits freue ich mich, dass du mir geschrieben hast und anregst, unseren Austausch wieder aufzunehmen, anderseits merke ich, dass mir unser letztes Telefonat (auch wenn es schon so lange her ist) noch immer schwer im Magen liegt. Ich verstehe einfach nicht, wie du dich so unsolidarisch verhalten konntest.
Aber das will ich jetzt nicht weiter ausführen. Wir sind gerade erst aus England von unseren Enkelkindern zurück und brauchen erfahrungsgemäß ein paar Tage um richtig anzukommen.
Nichts desto trotz spüre ich schon wieder Neugierde in mir aufsteigen. Was hast du diesem Journalisten geantwortet? Kann ich das irgendwo lesen?

Ich grüße dich,
Hannelore.

Werkstattbericht, 18. Oktober 2023

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Liebe Freunde des umland verlags,

die Welt steht Kopf und ich manchmal auch. So viele Turbulenzen, so viel Tohuwabohu – manchmal ist es einfach nur zu viel.
Lässt sich die Kinderwelt noch mit den Streichen der Dubties erklären, so können wir sie für das, was gerade mit und um uns herum geschieht, nicht mehr verantwortlich machen.
Wie agieren in dieser Zeit?
Sich auf sich, in sich zurückziehen?
Nein, das liegt mir nicht. Ich will Frieden. In mir. Und um mich herum. Und der soll weiterschwappen, anstecken.
Ein hehres Ziel?
Bin ich größenwahnsinnig?
Nein! Lediglich davon überzeugt, dass ein kleines Steinchen ins Wasser geworfen große Wellen erzeugen kann.

Unlängst las ich gemeinsam mit meiner Freundin, der Schauspielerin Dana Golombek von Senden für den Kontrafunk eine Stunde lang aus meinem „Briefwechsel“. Das Buch verkauft sich schwer. Kein Wunder, immer wieder höre ich: Corona – ich kann es nicht mehr hören, will das alles am liebsten vergessen.
Das halte ich für falsch. Ich denke, es ist wichtig, sich anzuschauen, was in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren geschehen ist. Deckel drauf und zu – das hatten wir in der Vergangenheit oft genug.
Anfang des Jahres veröffentlichte Dirk Oschmann sein Buch: Der Osten: eine westdeutsche Erfindung? Vierunddreißig Jahre nach dem Fall der Mauer ist das Buch hoffentlich endlich Anstoß, das, was unter dem Wort Wiedervereinigung zusammengefasst wird, aufzuarbeiten. Dafür, davon bin ich überzeugt, werden wir allerdings noch viel mehr als nur vierunddreißig Jahre zurückgehen müssen. Schon lange habe ich dazu eine Buchidee. Allerdings muss sie noch warten. Wie gerade alle Bücher warten müssen.
Die letzten drei Monate war ich fast ausschließlich damit beschäftigt, meine Reichweite auszubauen. Zwar sind meine Erfolge, vor sechs Jahren als Noname gestartet, ganz beträchtlich, reichen jedoch bei Weitem noch nicht aus, um davon leben zu können.

Es ist Herbst – Erntezeit.
Birnen, Äpfel, Kürbisse – bis auf die Nüsse ist alles eingebracht.
Zeit, nun endlich auch als Schriftstellerin und Verlegerin zu ernten.

Noch nie habe ich so viele Buchhandlungen abgeklappert und Eigenwerbung gemacht wie in diesem Jahr. Noch nie hatte ich so viele Lesungen wie in diesem Jahr.
Ich habe einen Vertrag mit dem Zwischenhändler Libri abgeschlossen, so dass meine Bücher in jeder Buchhandlung nun von heute auf morgen erhältlich sind.
Ich bin auf Instagram (umland_verlag und autorin_doreenmechsner) sowie facebook (als Doreen Mechsner und umland verlag) aktiv und habe einen Account auf der Literaturplattform lovelybooks. Dort habe ich bereits mehrere Verlosungen gestartet, damit neue Leser gewonnen und durchweg positive Bewertungen und Rezensionen erhalten.
Im Frühjahr verhörbuchte „Die Gehörgäng“ die „Winterschmetterlinge“ und derzeit laufen beim Hörbuchverlag „Montalto verita“ die Aufnahmen zum „Briefwechsel“. Zwanzig Schauspieler- und SprecherInnen sowie unser Tonmeister Stefan werden den „Briefwechsel“ zu einem wahren Hörerlebnis machen. Und das alles ohne eine Pfennig dafür zu verlangen. Einfach nur, weil sie – genau wie wir drei Frauen des umland verlags – mit unseren Büchern dabei helfen wollen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Wir hoffen, die Zeit ist endlich reif für den „Briefwechsel“, und damit dafür, (wieder) miteinander ins Gespräch zu kommen, einander zuzuhören, die Meinung des anderen auszuhalten und sich im besten Fall sogar mal einzufühlen und die Perspektive zu wechseln.
Angesichts der vielen neuen Brandherde auf unserer Welt finde ich es wichtiger denn je, ins Gespräch zu kommen – unter anderem deshalb bin ich nun auch noch unter die Blogger gegangen. Unter der Rubrik „Briefwechsel“ nehme ich auf meiner Homepage den Austausch zwischen Hannelore und Nora wieder auf und lade euch alle ein, euch daran zu beteiligen. Unter der Rubrik „Nachdenkereien“ veröffentliche ich mindestens einmal im Monat Beiträge zu Themen, die mich bewegen, und freue mich über Kommentare.
Außerdem gibt es seit zwei Wochen die Möglichkeit, über den in beiden Rubriken aufploppenden Spendenbutton meine Arbeit wertschätzend zu unterstützen. Mit diesem Button habe ich mich lange schwergetan, dabei unterstütze ich auf anderen Kanälen selbst gern. Es ist einfach eine kleine Anerkennung je nach Portemonnaiefüllung und bedeutet für mich und den Verlag eine große Unterstützung, um endlich das nächste Buch herausbringen zu können.

Das nächste Buch: Welches wird es wann sein?
Im Verlauf des Jahres habe ich meine Prioritäten mehrmals verschoben. Nachdem ich im Januar mit der Überarbeitung und der Fortsetzung der „Wege“ begonnen hatte, drängte sich im Frühjahr die Fortsetzung der „Winterschmetterlinge“ dazwischen, um nun aber endgültig von den Dubties abgelöst zu werden. Seit 2018 schon warten etliche Kinder, von denen einige inzwischen Teenager sind, auf die Fortsetzung. Sie wächst kontinuierlich und der Titel steht: „Lilo und die Dubties. Bambule in der Schule“ Nebenbei befrage ich auch immer mal den einen oder anderen fast Hundertjährigen nach seinem langen Leben.

Noch im Oktober wird es allerdings auch noch etwas Handfestes geben. Dank umland-Grafikerin Annett Lehmann, die sich in eine völlig neue Materie eingearbeitet hat, erscheinen die „Winterschmetterlinge“ nun auch als eBook. Damit erhalten nun endlich auch die Fans des digitalen Lesens die Möglichkeit für leseromantische Stunden vor dem Kamin, eingemummelt am Lagerfeuer, gemütlich im Bett, auf der nächsten Dienstreise oder schon in Weihnachtsstimmung mit Lebkuchen bei Kerzenschein.

Ich wünsche euch in jedem Falle eine gute Zeit
und freue mich über Rezensionen, Kommentare, Briefe oder einen Plausch bei der nächsten Lesung.

Herzlichst, eure
Doreen Mechsner

Nora – 15. Oktober 2023

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Noras erster Brief

Pinnow, 15. Oktober 2023

Liebe Hannelore,

wie lange haben wir nichts voneinander gehört? Wann haben wir uns zum letzten Mal geschrieben? Ich glaube, im Dezember wird es drei Jahre her sein. Es hat sich viel getan in dieser Zeit. Die Welt steht weiterhin Kopf. Ist eine andere geworden. Oder sehe ich sie nur anders? deutlicher?
Liebe Hanne, ich schreibe dir, weil ich unseren Briefwechsel gerne wieder aufnehmen, mich erneut austauschen und hören bzw. lesen möchte, wie es dir und euch geht, wie du, wie ihr in die Welt schaut. Ab und an sehe ich deinen WhatsApp-Status – ihr scheint viel auf Reisen zu sein. Ich bin neugierig. Wollte schon lange schreiben, habe mich aber nicht getraut. Unser letztes Telefonat stand dazwischen. Erinnerst du dich?
Weihnachten 2020 – die Impfung entzweite uns. Du warst fassungslos, wie ich so unsolidarisch sein konnte, die Impfung, wenn ich denn an der Reihe wäre, ablehnen zu wollen. Unser Gespräch war kurz. Du hattest mich gerade noch so erwischt, ich war damals auf dem Sprung, meine Schwester wartete. An sich hatten wir, das jedenfalls versicherten wir uns, unser Gespräch später fortsetzen wollen, tatsächlich jedoch hatte ich keine Lust dazu. Ich war so entsetzt, wie vermutlich auch du entsetzt warst. Sprachlos, wie so viele.

Inzwischen hat so etwas wie ein Tauwetter eingesetzt. Oder doch eher ein Vergessen(-wollen)? Jedenfalls sprechen die Menschen wieder miteinander. Häufig allerdings unter Ausklammerung des Themas der vergangenen drei Jahre. Die meisten wollen von Corona und dem, was in dieser Zeit geschehen ist, nichts mehr wissen. Das finde ich schwierig.
Deshalb war ich ganz begeistert, als ich vor zwei, drei Wochen bei Instagram den Post eines Journalisten   entdeckte, in dem er fragte: Warum hast du nicht mitgemacht?, und um Zusendungen bat.
Mir ging es sofort wie vor drei Jahren dir, als dein Max dich fragte, ob die Coronazeit so wichtig sei, dass man irgendwann in den Geschichtsbüchern darüber lesen werde. Ich möchte, dass man darüber lesen wird, warum wir uns wie verhalten haben. Wohl auch deshalb ratterte es in meinem Kopf sofort los. Ich habe mir sogleich Notizen gemacht, sie tags darauf in Form gebracht und tatsächlich an den Journalisten  geschickt.

Inzwischen allerdings finde ich seine Fragestellung zu eng, zu wertend. Ich will doch alle Meinungen hören, will ins Gespräch gehen, gerade mit denen, die anders denken als ich. Ich möchte gerne versuchen, ihre Perspektive einzunehmen und durch ihre Augen in die Welt zu schauen.
Liebe Hanne, ich verspüre den dringenden Wunsch, unseren Briefwechsel wieder aufzunehmen. Damit einhergehend kam mir auch gleich noch die Idee, all unsere Freunde und Bekannten, die vor drei Jahren deinen Fragebogen beantwortet haben, zu bitten, uns zu schreiben oder zu erzählen, warum sie sich in der Coronazeit wie verhalten haben, und wie sie diese Zeit und ihren Umgang mit dieser Zeit und den daraus resultierenden Gegebenheiten aus heutiger Sicht betrachten. Du weißt, als Schreibende und ehemalige Geschichtsstudentin verstehe ich mich immer auch als Chronistin unserer Zeit und möchte festhalten, was die Menschen bewegt bzw. bewegt hat, so zu handeln, wie sie gehandelt haben.
Ich würde mich riesig freuen, wenn auch du erneut Lust auf diesen Austausch hättest.

Ich grüße dich und natürlich auch Michael ganz herzlich,
deine Nora.

Der Briefwechsel im Blog

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Briefwechsel – Stimmungsbild einer gesellschaftlichen Krise

 

3. Mai 2020
Liebe Freunde,

ich hoffe, ihr seid alle wohlauf in dieser so ungewöhnlichen Zeit. Mir und meiner Familie geht es zum Glück gut.
Alles, was derzeit um uns herum und mit uns passiert, bewegt mich sehr und ich merke, dass ich mich mit möglichst vielen Menschen darüber austauschen möchte. Gerne auch mit euch. Vielleicht habt ihr Zeit und Interesse, euch an meinem Corona-Projekt zu beteiligen. Ich habe einen kleinen Fragebogen entwickelt, in dem ich Menschen aus meinem Familien- und Bekanntenkreis einladen möchte, ihre Gedanken und Meinungen zur Corona-Zeit festzuhalten. Auf die Idee hat mich mein zehnjähriger Enkelsohn gebracht, als er mich unlängst fragte, ob ich denke, dass Corona so wichtig sei, dass die Kinder später in den Geschichtsbüchern etwas darüber lesen werden?

4. Mai 2020
Liebe Hannelore,

jetzt über Corona schreiben, hältst du das für eine gute Idee? Wofür? Was willst du damit? Ich bin ein bisschen vorsichtig geworden. Es ist nicht mehr ganz einfach, offen seine Meinung zu sagen. Denkst du nicht, dass wir momentan noch viel zu dicht dran sind? Viel zu tief drin? Eben habe ich mit meiner Schwester telefoniert. Sie erzählte mir, dass sie sich jeden Morgen mit dem Wachwerden erst einmal wieder ins Bewusstsein rufen muss, dass das, was gerade passiert, wirklich wahr ist. Es ist so surreal.

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Mehr als drei Jahre sind vergangen seit das Corona-Virus die Welt auf den Kopf gestellt hat.
Über eineinhalb Monate hinweg hatten sich die 74-jährige Hannelore und die 47-jährige
Autorin Nora damals intensiv über all die Ereignisse, die das Auftauchen des neuartigen Virus
mit sich gebracht hatte,  über all die ungewöhnlichen Maßnahmen, die zum Schutz vor diesem
Virus ergangen waren,  über ihren jeweiligen Umgang damit sowie ihre Gedanken
dazu ausgetauscht.
Inzwischen ist viel passiert und Corona nur noch ein Randthema, das vom Ukraine-Krieg,
vom Klima-Wandel, vom neuen Rechtsruck sowie der Genderdebatte abgelöst worden ist.
Vor diesem Hintergrund entwirft Nora einen neuen Fragebogen – sie will den Austausch und eine Aufarbeitung.
Doch andere Themen rücken in den Vordergrund. Corona war nur der Anfang.
Inzwischen geht es Nora vor allem darum, Zeitgeschehen festzuhalten.

Was ist wahr, was ist unwahr?
Wie viel will man später von dem gewusst haben, was heute geschieht?

 

Wir laden Sie herzlich ein, sich am Austausch mit Nora zu beteiligen!

 

 

Ein Brief aus Rußland

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Krieg ist ein Ort, den es nicht geben sollte!

Der Krieg war weit weg als ich 2019 begann Menschen, die im 2. Weltkrieg noch Kinder waren, zu ihren Kriegserlebnissen, ihren Erinnerungen an diese Zeit zu befragen. Eines dieser inzwischen alt gewordenen Kinder war Heide, Jahrgang 1940 und mit Ende des Krieges Vollwaise. 1943, kurz vor seinem „Verschwinden“ schrieb ihr Vater einen berührenden Brief an sein kleines Heidelein.
Inzwischen ist der Krieg noch ein paar Jahre weiter weg und dennoch so viel näher.
Warum? Wofür?
Krieg ist ein Ort, den es nicht geben sollte! Nirgendwo auf der Welt!

Väter gehören nach Hause und nicht an die Front!

Rußland, 31. Juli 1943

Mein liebes Heidelein,

neulich flog ein Schwälbchen ein Stückchen mit uns als wir auf staubiger Straße marschierten. Manchmal blieb es auf dem Telefondraht sitzen und zwitscherte uns allerlei vor, als würde es fragen, wer bist du?
Was sollte ich ihm sagen? Ein Soldat? Ein großer Junge, der Krieg spielt? Nein, ich sagte, dass ich ein Vati bin und erzählte von meinem kleinen Mädchen, von dir mein Heidelein. Von deinen blonden Haaren und deinen kecken Sommersprossen. Ich trage deine Fotografie immer bei mir, schaue sie mir jeden Tag an. Ich habe sie auch dem Schwälbchen gezeigt. Es fragte, wo du zu Hause bist. Und weißt du was? – das Schwälbchen glaubt dich zu kennen. Hast du es mir geschickt? Sollte es mich grüßen?
Das Schwälbchen ist ganz froh, weil es hier so viele Mücken gibt. Hast du ihm davon erzählt?
Es war schön, sich mit dem Schwälbchen zu unterhalten. Eine ganze Zeit ist es neben uns geflogen, immer neben und über unserem marschierenden Zug auf der staubigen Straße so weit weg von zu Hause, hier vor Riga.
Nun lässt dich, mein liebes, artiges Heidelein das kleine Schwälbchen grüßen und bittet dich, allen Schwälbchen in Neu-Zittau zu bestellen, dass es hier noch viele, viele Mücken und Fliegen gibt, die unglaublich gut schmecken.
Nur wir Soldaten mögen die Mücken gar nicht. Sie stechen so garstig.
Aber nun ist ja das Schwälbchen hier und frisst sich satt und wenn du noch mehr schickst, ist bald keine Mücke mehr zum Stechen da.
Ich hab dich lieb mein Heidelein. Mir geht es gut.
Spiel schön und sei innigst gegrüßt von deinem Vati.

Montags bin ich Gärtnerin

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Montags bin ich Gärtnerin.

Lavendel

Ich dufte.
Auch noch nachdem ich in den See gesprungen bin und mich eine gefühlte Ewigkeit habe treiben lassen.
Den ganzen Vormittag habe ich in Lavendel gebadet. Nun haftet er mir an. Genau wie die Sonne. Meine Haut spannt.
Ich habe Lavendel geschnitten. Die oberen Drittel der Halme mit den überduftenden Blütenständen habe ich in einem großen Korb gesammelt. Der Korb riecht genau wie ich. Nur noch intensiver.
Die unteren beiden Halmdrittel habe ich stehen lassen, sie dürfen noch einmal austreiben und den Insekten den Herbst versüßen. Im Frühjahr werde ich auch sie schneiden – für einen üppigen Sommer.
Seit Montag bin ich Gärtnerin.
Nicht in meinem eigenen Garten, sondern zwei Dörfer weiter.

SUCHE HILFE IM GARTEN

– lautete die Anzeige, über die ich vor drei Wochen in unserem Amtsblättchen stolperte. Wie oft schon hatte ich mir überlegt, einfach mal in Berufe reinzuschnuppern? Gärtnern stand dabei immer ganz oben.

Außerdem brauchte ich einen Ausgleich. Ich bin viel zu viel im Kopf, mit viel zu vielen Projekten. Häufig dreht es sich in mir.

Natürlich könnte ich auch in meinem eigenen Garten gärtnern. Natürlich mache ich das auch. Allerdings ohne große Leidenschaft. In anderen Gärten gärtnert es sich irgendwie leichter.

Am Sonntag stellte ich mich bei Klaus und Monika vor. Der Garten ist schön. Lavendel, Wein, Brombeeren, Oregano, zwei Apfelbäumchen, hier und da ein Strauch und viel Wiese mit Blick in die Weite der Uckermark.

Ich solle einfach machen, was ich für richtig halte, sagte Monika. Seit Klaus nach einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzt, kommt sie nicht mehr dazu ihren Garten zu pflegen. Den Rasen mähen die Nachbarn, hier und da schneiden sie auch mal die Sträucher runter.
Nun bin ich da und stürze mich in den Lavendel. Krieche in sein Gehölz und rupfe das wilde Gras, das in ihn hineinwächst. Um mich herum summt und brummt es. Eine der Bienen scheint mich in meinem Tun zu begleiten, wohin ich auch krauche, sie bleibt bei mir, surrt immer über mir.

Ich habe Kopfhörer eingepackt, hatte vor, mir die letzte Folge meiner neuesten spotify-Entdeckung anzuhören – seit drei Wochen lausche ich begeistert dem Literaturpodcast „Zwei Seiten“ von Christine Westermann und Mona Ameziane.
Hier im Lavendel jedoch gefällt mir das Lied der Biene viel besser. Endlich einmal bin ich nur im Jetzt. Gedanken kommen und gehen. Ich scheuche eine Spinne auf. Und was ist das? Die Erde bewegt sich. Hebt und senkt sich als würde sie atmen. Eine erdfarbene Kröte. Sitzt einfach da und atmet. Ihre kupfernen Augen blinzeln nicht einmal. Sie sieht aus, als habe sie sich ausgezogen. Nackt. Erdkröten, lese ich später, häuten sich mehrmals im Jahr.

Natur

Das Thema der Podcastfolge, die ich mir gerade nicht anhöre, ist die „Natur“. Für jede Folge suchen sich Christine Westermann und Mona Ameziane ein Thema und empfehlen sich gegenseitig je ein Buch dazu, das bzw. die sie dann besprechen. „Natur“. Wie passend. Ich könnte mitreden.

Könnte erzählen von den Eidechsen, die bei mir im Gewächshaus zwischen meinen Gurken wohnen, von dem Igel, der sich freut, dass wir unseren Laubhaufen haben liegen lassen, von den Staren, die uns erst die Kirschen und jetzt die Weintrauben mopsen und so traumhaft sicher im Schwarm fliegen, das es wie ein Tanz aussieht. Von den vielen Kranichen, die jetzt gerade wieder auf unseren Feldern zum Sammeln blasen, von den Störchen, die lange nicht so friedlich sind, wie ich dachte, bis sie meine Nachbarn wurden und deren Nachwuchs greint wie meine Kinder früher geweint haben. Und natürlich auch von dem Marder, der sechs Jahre lang bei uns im Dach gewohnt und ordentlich Radau gemacht hat. Aus Angst um unser Dach hatten wir einen Kammerjäger kommen lassen, der unseren Untermieter zu einem Umzug überreden sollte. Das Mittel seiner Wahl war LAVENDEL. „Marder“, sagte der Kammerjäger „mögen keinen Lavendelgeruch“ und verstreute im gesamten Dachstuhl Lavendelkügelchen. Unseren Marder störte das nicht. Er radaute weiter – natürlich immer nur mitten in der Nacht und direkt über meinem Kopf.
Seit Ende August allerdings habe ich ihn nicht mehr gehört. Irgendwie vermisse ich ihn.
Vielleicht, überlege ich, sollte ich den Lavendelgeruch im Dach erneuern. Den Lavendel in meinem eigenen Garten habe ich noch nie geschnitten. Es wird Zeit. Der Lavendel tut mir gut.

Wie die Gartenarbeit überhaupt. Abends liege ich im Bett und rufe mir das Bild des gemachten Lavendelbeets vor Augen. Es ist so schön, sehen zu können, was man getan hat. Außer dem Lavendel habe ich noch zwei kniehoch bewachsene Wiesen gemäht, die Rose an der Hausmauer freigelegt und Laub geharkt.
Nun freue ich mich darauf, dass Monika und Klaus sich hoffentlich freuen werden, wenn sie in zwei Wochen wieder raus in die Uckermark kommen. Vor allem Monika. Als sie mir ihren Garten zeigte, sagte sie:

„Ich habe jetzt andere Aufgaben“.

In der Küche auf dem Tisch lag Helga Schuberts „Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe“. Ich habe das Buch gelesen. Helga Schubert beschreibt darin den Alltag mit ihrem dreizehn Jahre älteren, kranken und zunehmend in eine andere Wirklichkeit abdriftenden Mann.
Wie schnell sich ein Leben von heute auf Morgen so grundlegend ändern kann.
Auch Klaus war bis vor einem halben Jahr ein gesunder noch immer schaffender Mann. Und Monika noch keine pflegende Ehefrau.

Nächsten Montag werde ich einen kleines Lavendelsträußchen binden und in einer Vase in die Küche stellen. Wenn Klaus und Monika dann am Wochenende zum Ausruhen in ihr Häuschen kommen, soll es für sie duften.
Ein Hauch von Sommer den ganzen Herbst und Winter lang.
Ein Dank von mir – der glücklichen Gärtnerin.

 

1988 mit der Berlin-Auswahl gegen die indische Nationalmannschaft

Wer war ich, als ich 16 war?

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Mitten in der Nacht

schoss mir diese Frage durch den Kopf. Natürlich kam sie mir nicht einfach so in den Sinn. Nur noch ein paar Stunden, dann würde meine Tochter 16 werden. 16. Wie erwachsen das klang. Mein kleines großes Mädchen. Das ihren so ganz eigenen Weg geht. Mit einer beachtlichen Reife, aber auch Ängsten und Sorgen, Sehnsüchten … Wir sind viel im Gespräch. Dennoch weiß ich vieles von dem, was ihr durch den Kopf geht, vermutlich nicht.

Wie war das bei mir?

Wer war ich damals? Was ging mir durch den Kopf? Wo stand ich?
Das Bild ist verschwommen. Die Zeitspanne zwischen 14 und 18 irgendwie eins. Ich sehe mich, weiß, wie ich aussah, aber wer war ich? War das ich? Wie viel ich von damals ist heute noch in mir? Natürlich sehe ich, wenn ich die Fotos von damals betrachte, eine große Ähnlichkeit, aber würde ich sie auch sehen, wenn ich nicht wüsste, dass ich das bin? Beziehungsweise gewesen bin. Wer und wie war ich damals?

Hockey – mein EIN und ALLES

Ich suche nach Erinnerungen. Sie sind nicht leicht zu finden. Aber eines weiß ich sofort und ganz sicher: Mein Anker, mein Halt, mein Leben damals war HOCKEY. Am liebsten hätte ich auf dem Hockeyplatz gewohnt. Auf dem Hockeyplatz gab es einen kleinen Clubraum, ich stellte mir vor, er wäre meine Wohnung, mein Zimmer, und ich könnte von früh bis spät Hockey spielen. Damals war mein Traum, die beste Spielerin der DDR zu werden. Selbstverständlich wollte ich auch zu den Olympischen Spielen, doch das war illusorisch, Hockey gehörte in der DDR nicht zu den olympischen Sportarten und wurde nicht gefördert.

Jetzt fällt es mir wieder ein, die Erinnerung kommt, die Schublade geht auf – als ich 16 war, erhielt ich erstmals eine Einladung zu einem Lehrgang der Juniorinnennationalmannschaft, der U19. Der Lehrgang war in Güstrow und das Ausscheidungsrennen für das Turnier der Freundschaft zwei Monate später in der Sowjetunion. Noch nie in meinem Leben hatte ich solch einen Muskelkater, die Treppen zur Mensa waren eine Marter. Dennoch war ich glücklich. Jeden Tag durfte ich Hockey spielen, mit den besten des Landes, die schnell meine Freunde wurden.

Mit meiner Heim-Mannschaft, den Damen von Rotation Prenzlauer Berg
1988 – 16-jährig spiele ich mit der Berlin-Auswahl gegen die indische Hockey-Nationalmannschaft

Zwischenspiel Schule

Ich sehe mich auf der Rückfahrt im Zug, beseelt und zugleich tieftraurig – noch sechs lange Wochen waren es bis zum nächsten Trainingslager. Plötzlich erinnere ich mich ganz genau, ich saß in Fahrtrichtung am Fenster – allein im Viererabteil, widerwillig kramte ich mein Geschichtsbuch und meine Mitschriften aus der Tasche. Morgen hatte ich meine schriftliche Abschlussprüfung. Meinen Eltern hatte ich versprechen müssen, mich trotz des vielen Trainings ordentlich auf die Prüfung vorzubereiten. Am Abend wollte mich mein Vater abfragen. In Güstrow hatte ich nicht ein einziges Mal ins Buch geschaut. Nun blätterte ich durch die Seiten zur Französischen Revolution, las und las und dachte dabei nur daran, dass ich, als Jüngste der Truppe, als zweite Nachrückerin für das Turnier der Freundschaft nominiert worden war.

Am Abend im Wohnzimmer, mein Vater simulierte die Prüfung, wusste ich nichts. Mein Vater war entsetzt. Und ich auch. Ich war Klassenprimus und sah mich schon dem Gespött der ganzen Schule ausgesetzt. Was konnte ich jetzt noch tun? Mein Vater schickte mich mit meinem Buch ins Bett, dort sollte ich mir noch einmal alles durchlesen und dann das Buch unters Kopfkissen tun.

Am Morgen zog ich los, darauf gefasst, das erste Mal in meinem Leben total zu versagen. In meinen Gedanken stehe ich wieder im Prüfungsraum. Er war im Erdgeschoss im Wohnhaus neben der Schule. Warum hier? Hatte die Schule den Raum extra angemietet? Fünf Menschen saßen in der Prüfungskommission. Ich schaue in das Gesicht von Frau Gehm, sie hatte ähnlich lilane Haare wie Margot Honecker, neben ihr saß Frau Kaczmarek, die zweite Geschichtslehrin der Schule, und daneben unsere Pionierleiterin Frau Mann. Frau Kannegießer, unsere Direktorin, war dabei und noch ein Mann. Die fünf konnten fragen, was sie wollten, ich wusste alles. Meine Prüfung war ein einziges Freudenfest. Selbst die letzte Fangfrage, mit der Frau Kaczmarek mich nochmal aufs Glatteis führen wollte, konnte mich nicht erschüttern.
Ich glaube, den ganzen Weg nach Hause hüpfte ich. Ich hatte ein 1a-Abgangszeugnis. Und in sechs Wochen endlich mein nächstes Trainingslager.

Dirty Dancing in der Ostsee

Dieses Mal ging es mit der U16-DDR-Auswahl nach Rerik. Mein Vater hat einen Brief aufbewahrt, den ich meinen Großeltern damals aus Rerik schrieb.… „Ich bin seit gestern wieder in einem anderen Trainingslager. Bisher hatten wir einmal Training, welches aber äußerst leicht war. Besser hier ist, dass wir einmal an der Ostsee sind (waren noch nicht baden) und zweitens, dass hier auch Jungs sind, mit denen wir vorher schon im Trainingslager waren. Das Klima zwischen uns ist einwandfrei, das Wetter weniger. …“

 

Der Junge, der mich damals besonders begeisterte, hieß Gerhard und kam aus Erfurt. Aber auch Falk aus Köthen fand ich ganz dufte und Thomas aus Potsdam. Tatsächlich verliebt aber war ich, wie noch einige andere Auswahlspielerinnen auch, in unseren Nationaltrainer Frank Müller. Ich kann gar nicht mehr sagen, ob er hockeytechnisch ein guter Trainer war, aber menschlich war er einer dieser Trainer, immer auf Augenhöhe, immer zu einem Gespräch bereit. Natürlich kokettierte er auch mit uns Teenie-Verliebten. Dirty Dancing mit Patrick Swayze und Jennifer Grey in den Hauptrollen war damals unser Film. Natürlich rannten wir auch in Rerik ins Kino und danach in die Ostsee; Frank Müller gab den Patrick, und die leichtesten von uns – ich, juhu, gehörte dazu – sprangen ihm, unter dem Vorwand, die Dirty-Dancing-Hebefigur nachstellen zu wollen, in die Arme.

Nebenbei brachte mir Frank Müller in „Einzelstunde“ noch das Kraulen bei. In der Ostsee bei Wellengang. Ich weiß nicht mehr, wie viel Salzwasser ich schluckte, aber mein Können langte, um ein paar Monate später die für die Aufnahme an der DHFK in Leipzig notwendigen 25 Meter, mehr schlecht als recht zu bewältigen.

Danken konnte ich Frank Müller dafür nicht mehr. Plötzlich war er weg. Die Mauer war – für mich absolut überraschend – gefallen und mein Lieblingstrainer in die Hockeyhochburg nach Hamburg gezogen.

Was blieb,

und offenbar noch immer in mir schlummert, sind die Erinnerungen und meine Liebe zum Hockey.

Wandere ich noch, oder pilgere ich schon?

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Was so ein Rucksack ausmachen kann.

Wie viele Kilometer habe ich in den vergangenen Jahren schon in meinen Wanderschuhen zurückgelegt? Insgesamt sicher mehrere Hunderte. Im letzten Jahr habe ich den Oberuckersee gleich fünf Mal in ihnen umrundet – das allein macht schon 125 Kilometer. Allerdings 125 Kilometer mit leichtem Gepäck. Nun jedoch habe ich mich aufgemacht, um zu pilgern oder einfach nur mehrere Tage zu wandern. Jedenfalls laufe ich auf dem Jakobsweg – und muss mir das erste Blasenpflaster bereits um die Zehe wickeln, noch ehe ich meinen Startpunkt Frankfurt/Oder verlassen habe.
Ursprünglich hatte ich geplant meine Wanderreise mit 11,2 Kilometern eher entspannt anzugehen, um dann jeden Tag ein paar weitere Kilometer draufzupacken, doch nichts da, noch bevor ich mein erstes Tagesziel – Lebus – erreicht habe, weiß ich, ich werde wohl eher von Tag zu Tag ein wenig abspecken.
Wer läuft auch bei 31 Grad und knallender Sonne los, die ersten zwei Kilometer noch dazu an Frankfurts unbeschatteter Hauptstraße entlang? Und dann weiter auf dem Deich – rechts kein Baum, links kein Baum, jedenfalls nicht direkt am Deichweg. Um Temperaturen habe ich mich im Vorfeld überhaupt nicht geschert. Wichtig war mir nur, nicht im Regen laufen zu müssen. Dabei weiß ich doch – eigentlich – dass mir Hitze viel mehr zu schaffen machen kann. In den heißen Wochen vor Ferienbeginn ist mir mein Kreislauf gleich zwei Mal – im wahrsten Sinne des Wortes – durchgedreht. Schwindel!
Warum fällt mir das ausgerechnet jetzt (erst) wieder ein? Kein Mensch weit und breit, und die Sonne brennt. Meine Haut, mein Körper auch. Ich brauche Wasser. Das aus meiner Flasche reicht nicht, um mich zu erfrischen. Ich muss baden, wenigstens die Beine. Und die Arme und das Gesicht und den Nacken. Eigentlich alles. Hundert Wiesenmeter entfernt glitzert zwischen riesigen, Schatten spendenden Bäumen die Oder. Dort will ich hin, dort mache ich mit plätschernden Beinen im Wasser Pause.

Ein Kirchturm – meine Herausforderung

Nichts lockt mich zurück in die Sonne. Aber ich kann ja nicht hier sitzen bleiben. Ich versuche es mit einer Abkürzung. Doch hüfthohes Schneidegras bremst mich. Außerdem krabbelt es wie wild. Sind das Zecken? Nichts wie weg hier und zurück auf den vorgeschriebenen Pfad.
Fünfhundert Meter kostet mich meine misslungene Abkürzung. Fünfhundert zusätzliche Meter, und der Rucksack wird auch nicht leichter. Dafür endet der Deich. Was für ein Segen. Ein dicht bewachsenes Wegelchen schlängelt sich – Schatten! Irgendwann mündet es in einer schier endlos erscheinenden Wiese. Über der Wiese haben sich Wolken vor die Sonne geschoben. In der Ferne taucht Lebus auf. Ich sehe den Kirchturm und frohlocke, gleichzeitig jedoch habe ich ziemlichen Bammel. Der Kirchturm von Lebus – er ist MEINE Herausforderung auf meinem Pilgerweg.
Auf meinem Pilgerweg? Bin ich denn überhaupt eine Pilgerin? Oder doch nur eine Wanderin? Was ist der Unterschied? Tatsächlich bin losgezogen, um zu wandern. Mich mal um nichts anderes zu kümmern, als von A nach B zu kommen und dabei mit mir allein zu sein, in Betten zu schlafen, in denen ich noch nie geschlafen habe und Menschen zu begegnen, die ich noch nicht kenne. Ich will mich einlassen. Das allerdings so preiswert wie möglich.
Im Kirchtum von Lebus findet man gegen eine Spende Herberge.
Eine Nacht im Kirchtum – wie romantisch, dachte ich, als ich zum ersten Mal davon las. Inzwischen ist daraus eine ziemliche Beklemmung geworden. Die Vorstellung, hoch oben im Kirchturm zu schlafen, in einem Verschlag mit zwei ausgeschriebenen Bettstellen, ängstigt mich. Was, wenn ein mir unbekannter Mann die zweite Bettstelle belegen würde? Was, wenn die zweite Bettstelle frei bliebe und ich ganz alleine wäre, im dunklen Turm mit all seinen unbekannten Geräuschen und dem dort sicher wohnenden Getier? Wäre das nicht noch viel gruseliger – mutterseelenallein in einer Holzkammer unter dem Turmdach? Bis zuletzt hatte ich geschwankt, ob ich mich dieser Herausforderung stellen sollte. Augen zu und durch! Raus aus der Fantasie, rein in die Realität.
Die gruselige, dunkle Kammer hoch oben, direkt unter der Glocke entpuppt sich als ebenerdiges, lichtdurchflutetes, spartanisches, aber gemütlich eingerichtetes Zimmerchen, gut isoliert nach draußen, oben und unten sowie – für mich enorm wichtig –abschließbar. Dass Küche, Dusche und Toilette drei Kirchecken weiter und einmal quer durch den Kirchgarten liegen, stört mich nicht. Jedenfalls so lange nicht, bis der Regen, der mir zum Abendbrot unterm Schleppdach zunächst eine zauberhafte Melodie tröpfelt, so heftig wird, dass ich fürchte, nicht mehr sicher und schon gar nicht trocken in mein Kämmerlein zu kommen.
Wie machen das die Störche, die hier, wie bei uns zu Hause, gleich neben mir wohnen? Ihr Nest muss schwimmen, ihre Federn triefen. Wurde je ein Storchennest vom Blitz getroffen?
Ich liege im Trockenen und lese. Erst jetzt bekomme ich mit, dass über mir alle Viertelstunde die Glocke schlägt, zur vollen Stunde will das Geglocke gar nicht mehr aufhören. Wie schnell gewöhnt sich ein Gehirn an diese permanente Störung? Werde ich schlafen können?
Ich kann: Von zehn bis sieben Uhr schweigt die Glocke. Dafür tobt das Unwetter.

 

Da ragt er heraus, der Kirchturm von Lebus – meine Herausforderung

Wie mag der alte Fontane gewandert sein ?

Am Morgen dagegen strahlt die Sonne – sofort wieder mit voller Wucht. 31 Grad den ganzen Tag. Das ist nicht mein Wetter.
Was sagen die Störche dazu? Haben sie ein Lieblingswetter? Denken sie überhaupt über so etwas nach? Oder nehmen sie einfach nur hin?
Der Weg ist grün. Nur Urwald um mich herum. Was für ein Glück. Hier lässt es sich aushalten. Ich verstehe nicht, wie man ganze Wälder zugunsten von Windrädern und Solarparks abholzen kann. Noch dazu, wenn parallel über einen unaufhaltsamen Temperaturanstieg geklagt wird? Unter dem dichten Blätterdach ist es gerade mindestens fünf Grad kühler als ein paar Kilometer weiter auf dem Deich. Herrlich.
Wenn nur dieser schwere Rucksack nicht wäre. Seit Jahren schon stelle ich mir vor, im Alter, also wenn die Kinder groß und aus dem Haus sind, loszuziehen und Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ neu zu schreiben. Aber mit diesem schweren Rucksack? Wie hat der alte Fontane das gemacht? Bestimmt nicht per pedes mit seinem halben Hausstand auf dem Rücken.
Links neben mir erstreckt sich das Mühlenfließ. Eine Aneinanderreihung kleiner Teiche, die einer den anderen speisen. Bäume wurzeln im Wasser, Entenflott, so weit das Auge reicht. Flirrende Sonnenstrahlen. Ich bleibe stehen, muss ein Foto machen. Plötzlich sind sie da: Mücken. Eine ganze Armada stürzt sich auf mich. Ich schlage auf meine Beine, meine Arme, meinen Kopf und flüchte. Sofort lassen die Mücken von mir ab. Zum Glück.
Vor dreißig Jahren haben mich Mücken mal durch einen ganzen Wald gejagt. Die kleinen Plagegeister hatten meine Freundin Dana und mich beim Blaubeersammeln aufgespürt, attackiert und gleich noch alle Verbündeten der näheren und weiteren Umgebung aufgestachelt uns ein für alle Mal aus ihrem Wald zu vertreiben. Eine Viertelstunde rannten wir, dann waren wir aus dem Wald und die Plagegeister los.

Der Urwald des Mühlenfließ

Wölfe, Hunde, Mirabellen

Was war das? Ein Rascheln. Ich muss an vorgestern Abend denken, an unsere Hunderunde in der Dämmerung, an meine panische Lilo, die den ganzen Weg über Wölfe witterte. Schauen mich da zwei Augen an? Vier? Gibt es hier überhaupt Wölfe? Na klar, Polen ist nicht weit, von dort sind sie doch eingewandert. Was, wenn gerade jetzt hier ein Isegrim meinen Weg kreuzt? Eigentlich machen die ja nichts, aber wenn ausgerechnet heute doch? Meine Fantasie … Ich checke die Umgebung, suche Bäume, auf die ich klettern könnte. Zuerst müsste ich natürlich den Rucksack abwerfen und dann … Was, wenn mir das Handy beim Sprung auf den Baum aus der Hosentasche fällt? Dann sitze ich halbhoch oben und traue mich nicht runter. Meine Beine werden immer schneller. Der Rucksack immer leichter. Plötzlich liegen Mirabellen vor mir auf dem Waldboden. Die Sammlerin in mir erwacht. Ich lasse es mir schmecken. Kein Wolf kann mich mehr schrecken.
Was der Weg alles bereithält: Brombeeren, Pflaumen, sogar die ersten Augustäpfel. Und einen See. Ich schwitze wie ein Elch und tauche ein wie eine Forelle.
Nicht weit entfernt bellt ein Hund die polnischen Radfahrer an, die eine Stunde lang den Weg gesucht haben, auf dem ich gleich an dem Hund vorbei muss. Shirley MacLaines „Jakobsweg“ kommt mir in den Sinn, oder war es der von Paolo Coelho? Darin beschreibt sie/er die Begegnung mit den wilden Hunden von – ich weiß nicht mehr, wie der Ort hieß. Als ich das Buch las, wusste ich, diesen Weg werde ich nicht gehen. Mittlerweile würde ich mich wohl wagen. Unser Trixihund hat mich therapiert. Natürlich bellt der Schnäuz, als ich den Weg an seinem Gartenzaun passiere. Ich summe mir ein Lied.
Es ist gerade mal drei Uhr, als ich die Pension an der Orgelwerkstatt erreiche. Ich bewohne sie ganz alleine. Die Wirtin ist momentan selbst auf dem Jakobsweg unterwegs und gerade bei den Meistersingern in Nürnberg. Ihr Mann, der Orgelbauer, verköstigt mich mit plückreifen Tomaten aus seinem Garten, Zwiebeln und Basilikum. Ich schnappe mir ein Buch und genieße meine Zweisamkeit mit mir.

Allein mit mir

Bin ich ein Scharlatan?

Am Morgen drückt mir der Orgelbauer meinen ersten Pilgerstempel in meinen Pilgerpass. Bin ich nun eine Pilgerin? Oder doch nur eine Wanderin? Was ist der Unterschied? Den Pass hatte ich mir vornehmlich besorgt, um die Pilgerherbergen nutzen zu dürfen. Bin ich ein Scharlatan? Nein! Ich bin eine Pilgerin! Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir.

Zum Abschied hat mir Christian, der Orgelbauer, einen Pilgersegen mit auf dem Weg gegeben. Seine Worte haben mich tief ergriffen. Heute werde ich noch zehn Kilometer pilgern, dann bin ich wieder zu Hause. Auf dem Weg beschäftigt mich Christians Vergleich des Pilgerns mit dem Begriff des Ablasshandels. Geht es, fragte er, nicht genau darum, abzulassen, von allem, was einen beschwert, vor allem auch von den vielen Gedanken, und einfach nur den Weg zu gehen?
Ich gehe ihn ziemlich zackig, merke ich plötzlich. Den Rucksack spüre ich kaum noch.
Kein Zweifel, ich pilgere, bin auf dem Weg. Ist nicht das ganze Leben eine Pilgerreise?

Barbara M. über „Winterschmetterlinge“, 5, Mai 2023

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Liebe Frau Mechsner,

ich habe Ihre „Winterschmetterlinge gelesen“ – mein Urteil: arte-Film! Das heißt: spannende Geschichten! Bei einigen hätte ich gerne sehr viel mehr wissen wollen und lesen, wie es weitergingt … Doch dann war schonSchluss. Das Buch war zu kurz. Ich hätte gerne mehr! 🙂 Schreiben Sie eine Fortsetzung?
Ich warte darauf.
Mit den besten Grüßen,
Barbara M. aus Berlin.

Werkstattbericht, 22. April 2023

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Liebe Freunde des umland verlags,

ob ihr es glaubt oder nicht: Die Dubties sind wieder da. Eigentlich hatte ich gedacht, sie mit dem Schreiben von „Lilo und die Dubties“ aus unserem Haus und in die Welt geschickt zu haben. Aber nichts da. Nach einer lange Zeit der Ruhe, sind sie „zufällig“ genau jetzt, da ich mir das seit zwei Jahren in der Schublade schlummernde Manuskript des zweiten Teils von Lilo und den Dubties vorgenommen habe, wieder aufgetaucht und treiben ihren Schabernack. Werkstattbericht April 2023

Besprechung der „Winterschmetterlinge“ im UckermarkKurier vom 15. April 2023

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Vom Zauber des Kennenlernens

von Claudia Marsal

Die uckermärkische Schriftstellerin Doreen Mechsner hat Liebesgeschichten aus der Region zusammengetragen. Erzählt werden sie im Buch
„Winterschmetterlinge“.

Doreen Mechsner ist eine Romantikerin. Daraus macht die 50-Jährige keinen Hehl. Deshalb war vermutlich auch klar, dass die Fergitzerin
irgendwann mal ein Buch über Romanzen schreiben wird. Mit „Winterschmetterlinge“ liegt nun ihr Erstling in dieser Sparte auf dem Tisch.

Uckermark-Kurier – Winterschmetterlinge 15.04.2023

Rezension der „Winterschmetterlinge“ in der Katholischen Sonntagszeitung vom 12. April 2023

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Unscheinbare Momente und unerwartete Fügungen

„Den Schmetterlingen ist es egal, ob du siebzehn oder siebzig bist; wenn du dich verliebst, sind sie einfach da.“ So lautet der erste Satz des Textes, der Doreen Mechsners Buch „Winterschmetterlinge“ ihren Titel gab. Dieser Satz trifft den Kern aller in diesem Buch gesammelten Liebesgeschichten und bietet ein schönes Bild – sowohl von der Zartheit einer beginnenden Liebe als auch von ihrer überwältigenden Kraft.
Kathol. Sonntagszeitung – Winterschmetterlinge 12.04.2023

Janine Holenstein über „Winterschmetterlinge“, 2. März 2023

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Liebe Doreen,

die Bücher sind gut bei mir gelandet nach langer Reise, vielen Dank! Ich habe zu lesen begonnen und nicht mehr aufgehört, bis alles gelesen war! Es war wieder einmal wie früher, wo ich Nächte durchgelesen habe. Schön! Ich bin begeistert von der Vielfalt der Geschichten.
Und freue mich aufs Verschenken…

Alles Liebe vom Schwarzen Meer, Janine.

Rezension der „Winterschmetterlinge“ von Elisa Gratias, Rubikon, 14. Februar 2023

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Der Reiz des Wahren
Ein Sammelband realer Liebesgeschichten aus Deutschland lenkt den Fokus von der Medienrealität auf das Wesentliche im Leben.
von Elisa Gratias

Foto: Gorynvd/Shutterstock.com

Einen Sammelband mit den Liebesgeschichten unbekannter Otto Normalbürger zu veröffentlichen, offenbart den mangelnden Geschäftssinn der Herausgeberin. Während die Medien über die immer realistischer scheinende Katastrophe berichten, die Deutschland droht, beschließt Doreen Mechsner, Menschen unterschiedlichster Couleur zu fragen, wie sie sich kennenlernten, und ein Buch daraus zu machen. Profitdenken scheint dieser Frau fremd. Welch eine Erholung für jeden, der sich gerade jetzt nach Menschlichkeit und einer Auszeit für das geplagte Gemüt sehnt. Eine Rezension.

D B-Kli über „Winterschmetterlinge“, 24. Februar 2023

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Liebe Doreen Mechsner,

heute ist Ihr Päckchen angekommen mit den bestellten Büchern.
Die habe ich vor kurzem ganz spontan bestellt, weiß gar nicht mehr auf welcher Internet-Seite ich auf die Bücher aufmerksam geworden bin,
Eigentlich habe ich gerade gar keine Zeit zum Lesen, „mußte“ aber mal kurz reinschauen, und wäre fast für meinen Terminkalender
„verloren“ gegangen. Mit viel Selbstdisziplin habe ich das für mich gedachte Exemplar etwas außer Sichtweite gelegt… will Ihnen aber kurz schreiben, wie schön ich Ihre Verlagsseite finde, ruhig und unspektakulär und ganz wunderschön!!
Und die unkomplizierte Bestellweise, einfach auf Vertrauen Päckchen rausgeschickt und Rechnung reingelegt!!! Geradezu „old-school“.
Das hat mich fast ebenso berührt wie die ersten gelesenen Geschichten!

Vielen Dank!
Alles Gute für Sie,
D B-Kli.

Was wäre wenn …

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Was wäre, wenn …
… Friedrich Wilhelm IV. die ihm am 30. März 1849 durch
Volksvertreter angetragene Kaiserwürde angenommen hätte?
… sich KPD und SPD 1933 einig gewesen wären?
… Adolf Hitler ein erfolgreicher Maler geworden wäre?
… Stauffenbergs Attentat geglückt wäre?
… eine umfassende Entnazifizierung stattgefunden hätte?
… in den alliierten Besatzungszonen keine neue Währung
eingeführt worden wäre?
… über die Stalin-Note verhandelt worden wäre?
… ein Volksentscheid über die Vereinigung oder fortlaufende
Entzweiung des geteilten Deutschlands entschieden hätte?
… die Mauer nicht gebaut wäre?
… oder die Panzer gerollt wären, um ihn aufzuhalten?
… an der Bornholmer Brücke am 9. November 1989 die Nerven
verloren hätte?
… keine permanente NATO-Osterweiterung stattfinden würde?
Rammstein geräumt würde?
Gestern besuchte ich mit meinen Töchtern die Ausstellung „Roads not taken. Oder: Es hätte auch anders kommen können“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Die Ausstellung ist ein spannender Ansatz, der viel Raum zum Ausmalen gibt.
Meine Tochter beschäftigte vor allem die Frage, ob Anne Frank überlebt hätte, wenn Stauffenbergs Bombe Hitler getötet hätte? Meine Tochter hat eine Facharbeit über Anne Frank geschrieben, ihr Schicksal hat sie sehr bewegt.
Während ich fest davon überzeugt war, dass Anne Frank im Falle eines geglückten Attentats selbstverständlich überlebt hätte, gab meine Tochter zu bedenken, dass sie vielleicht trotzdem Fleckfieber hätte bekommen und daran sterben können. Oder Tuberkulose. Sie hätte anderen fanatischen Antisemiten zum Opfer fallen können oder einfach nur einen Unfall haben. Sehr wahrscheinlich jedoch wäre sie nicht ins KZ depotiert worden .
Oder vielleicht doch? Vielleicht wäre der Krieg mit einer neuen Regierung nach Hitlers Tod beendet worden. Aber auch der Krieg gegen die Juden?
Es sind so viele kleine Entscheidungen, die am Ende große Geschichte ausmachen. Und wir alle, davon bin ich überzeugt, können die Geschichte mitschreiben.
Und darum geht es
JETZT.
Vierzehn Schlüsselmomente der Deutschen Geschichte hat der Historiker Dan Diner für die Ausstellung ausgewählt. Am Ende erwartet den Besucher ein gänzlich leerer Raum – überschrieben mit 2023.
Was wird werden in diesem Schlüsseljahr?
Werden nach dem Leopard auch Kampfjets in die Ukraine entsandt? Und danach Soldaten? Oder kommen fremde Soldaten zu uns? Totalmobilmachung?
Wird sich der Meinungskorridor wieder weiten oder noch enger werden?
Wird eine Aufarbeitung der vergangenen drei Jahre stattfinden? Oder zur alten Normalität (die es m.E. gar nicht gibt) zurückgekehrt?
Was passiert mit unseren Krankenhäusern? Werden die Kapazitäten erweitert? Die Profitgier hinten angestellt, zum Wohle des Menschen?
Wird es überhaupt wieder menschlicher und NATUeRlicher?
Was wäre wenn …
…wir uns einfach entscheiden, friedlich miteinander zu leben. Und anerkennen, dass wir alle zur Menschheitsfamilie gehören, und dass es dieser nicht nicht um höher weiter besser reicher geht, sondern um Liebe und Lebensglück?
Wußtet ihr, dass es eine Weltuntergangsuhr gibt? Auch sie ist in der Ausstellung abgebildet.  2017 stand sie bereits auf 11:57:30.
Angesichts dessen, was seit 2020 passiert ist, frage ich mich, steht sie noch vor 12 Uhr.
Was denkt ihr?

SeniorenMagazin, Januar/Februar 2023

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Ein Buch, das Herz und Seele wärmt


W as stellen Sie sich unter „Winterschmetterlingen“ vor? Schwierig, oder? Es ist der Titel eines unlängst erschienenen Buches von Doreen Mechsner, in dem sie halb dokumentarisch, halb erdichtet beschreibt, wie sich Paare gefunden haben. Kurz gesagt erfährt man etwas über
den Beginn einer Liebesgeschichte. Viele der von Doreen Mechsner befragten Paare sind bereits etwas älter, manche haben sich sogar erst im Alter gefunden. Und in diesem Fall gibt es eben (Winter-) Schmetterlinge im Bauch. Aber auch die Rückerinnerung an die erste Begegnung
kann solche Gefühle auslösen. Seniorenzeitung – Winterschmetterlinge Januar 2023

Ohne mich

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Es ist der 1. Februar 1916. Mein Opa wird geboren. Mitten im ersten Weltkrieg. Sein Vater, mein Uropa war zu dieser Zeit als Soldat an der Westfront. Erst im Januar 1919, also kurz vor dem dritten Geburtstag meines Opas, kam er wieder nach Hause.
Neunzehneinhalb Jahre später, am 18. November 1938, knapp ein Jahr vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges, wurde mein Opa eingezogen. Zweiundzwanzig Jahre war er damals alt. In den fast sechs Jahren des Krieges verschlug es meinen Opa nach Polen, Lothringen, die Kanalküste bei Calais, nach Weißrussland, nach Kronstadt sowie an die Front vor Wolchow.
So verrückt es klingen mag, ausgerechnet in dieser Zeit lernte mein Opa meine Oma kennen. Sie war eines der jungen Mädchen, das zu Hause an der Heimatfront eifrig Socken für die Soldaten in den Schützengräben strickte. Ein Paar von Omas Socken landeten an Opas Füßen.
Diese Geschichte, von der Oma und Opa nicht mehr als diese paar Eckdaten hinterlassen, habe ich in meinem Buch „Winterschmetterlinge“ aufgegriffen und in der Erzählung „Weihnachten vor Kronstadt“ literarisch ausgeschmückt .
Zurückgreifen konnte ich dabei auf einige Details, die mein Opa mir 1996 in einem Brief über seine  Soldatenzeit geschrieben hatte.

„Im ersten Winter des Krieges mit der Sowjetunion lag ich als vorgeschobener Beobachter in einem Schützengraben auf der Mondscheinhöhe vor Kronstadt – verlaust und verdreckt. Unsere Unterkunft war ein niedriger kaum mannshoher Unterstand mit einigen harten Pritschen. Draußen war es am Abend bitterkalt (ca. -40 Grad Celsius), sternenklar und windstill. Drinnen im Unterstand brannten keine Kerzen, sondern nur einige aus Handgranaten gebastelte Ölfunzeln sowie ein aus einer achtundzwanzig Zentimeter Kartusche selbst gebauter Kanonenofen, aus dem es qualmte. Diesen Ofen konnten wir nur nachts benutzen, am Tage hätte uns der Rauch verraten. Ich war Unteroffizier und Truppführer – Offiziere ließen sich vorne im Graben nicht sehen.“

Das klingt doch wie heute. Ich erinnere an Gerhard aus meinem Buch „Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen! Aber nur kleine“, der forderte: „Ich finde, alle, die Politik machen, müssten irgendwie eine Art Frontbewährung machen müssen. Zum Beispiel könnten sie eine Stunde unter Artilleriebeschuss leben. Danach können sie dann sagen: „So jetzt machen wir Politik“. … und liefern Panzer … und wer weiß, was noch.

Auf der sonst so umkämpften Mondscheinhöhe, schrieb mein Opa weiter, fiel in dieser Weihnachtsnacht kein Schuss. Am Neujahrstag aber schon ging es weiter mit dem gegenseitigen Abschlachten.

„Wir haben unter Trommelfeuer gelegen. In den Morgenstunden war Wachablösung. Mein Vorgänger hatte vergessen, den Ofen auszumachen. Dadurch geriet der Beobachtungsposten unter Beschuss, ein Volltreffer war nur noch eine Frage der Zeit. Daher bin ich weggepest so schnell ich konnte. Kurz darauf gab es den Volltreffer“.

Später hatte mein Opa die Ruhr. Sie hat ihm das Leben gerettet. Es drückte ihm dermaßen im Darm, dass er den Unterstand Hals über Kopf verlassen musste, um sich zu erleichtern. Das war seine Rettung. Während er kackte, traf es den Unterstand. Darin waren seine Kameraden – alle tot.

Immer wieder habe ich versucht, mehr von Opa aus dieser Zeit zu erfahren. Es war schwer, Opa sagte über sich, er sei ein Meister im Verdrängen. Ich habe keine Ahnung, ob oder wie ihn diese Erfahrungen seiner jungen Mannesjahre geplagt haben – hat er von den Leichenteilen, die in den Bäumen hingen (und die er mehrfach erwähnt hat) geträumt? Haben ihn die vielen Toten verfolgt? Zumindest die, die er selbst getroffen hat? Hat er welche getroffen?
Wie kann man damit leben? Kann man damit leben?
Opa wurde mehrfach verwundet. Zeit seines Lebens hatte er mit Granatsplittern zu tun, die ihn getroffen hatten und im Körper wanderten.
1945 wurde er wegen einer Hirnverletzung vorzeitig aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen.

Ich habe eine Freundin, deren zwanzigjähriger Sohn panische Angst davor hat, dass der Krieg zu uns kommen könnte, dass er eingezogen werden wird. Ich kann diese Angst verstehen. Ich mache mir ebenfalls Sorgen. Mein Sohn ist vierundzwanzig. Was würde er im Falle eines Krieges tun?

Früher zu den Hochzeiten des Kalten Krieges, ich war noch ein Kind, habe ich mir überlegt, dass ich meinen  Mann und meine Söhne einfach verstecken würde. Später, als ich Mann und Sohn hatte, erkannte ich, dass es so einfach nicht sein würde – allerdings hielt ich es damals noch für ausgeschlossen, dass wir jemals in solch eine Situation geraten könnten.
Ich kann niemanden verstecken, der sich nicht verstecken lassen möchte. Jeder muss seine Entscheidung selbst treffen.

Aber stellt euch einfach mal vor:

„Es ist Krieg und keiner geht hin!“

Das sollte doch funktionieren.

Stellt euch vor, es ist Krieg

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29. Januar 2023
Heute vor 101 Jahren wurde Gerhard – einer der fast Hundertjährigen, die ich für mein Buch „Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen! Aber nur kleine“ interviewt habe – auf einem Rittergut auf Rügen geboren.
Gerhards Vater war Russe, galt offiziell allerdings als staatenlos und so war auch Gerhard staatenlos. Damals wollte Gerhard jedoch nichts sehnlicher als Deutscher sein. Genau an dem Tag, an dem seiner Einbürgerung per amtlichen Bescheid stattgegeben wurde, flatterte ihm ein zweiter Brief ins Haus – der Einberufungsbefehl.
Zunächst „wühlte“ Gerhard in Holland und Frankreich an der Küste nach englischen Minen – „Wir mussten mit dem Gewehr das Gelände, abstochern und wenn man auf harte Gegenstände gestoßen ist, hopp, da wussten wir, da könnte eine liegen. Dann hat man die mit der Hand ausgebuddelt und entweder war das ein Stein oder ein Stück Blech oder eben eine Mine. Da ging nicht nur einmal eine hoch. Einmal war ich daneben, als das einem Kameraden passiert ist. Dem hat es beide Beine abgerissen, beide Beine weg, beide Arme weg und der Balg lag in dem Loch. Der lebte noch und versuchte, so wie er war, aus dem Loch zu kriechen. Das war natürlich der halbe Untergang. Nachdem sie ihn rausgefischt hatten, hat es noch ein paar Minuten gedauert, dann ist er gestorben Verblutet. So sind da viele hochgegangen und gestorben.“
Später war Gerhard in Russland, damals Sowjetunion im Einsatz, als Panzerpionier. PANZERPIONIER!!! „Wir Panzerpioniere mussten mit unseren PANZERN los, mussten vor. Wir waren noch keine fünfhundert Meter in der Gefahrenzone, da wurden wir getroffen. Die Panzerketten kaputt lagen wir da und wurden beschossen …“
Gerhard überlebte und wurde zum nächsten Einsatz geschickt – ins Gebiet der heutigen Ukraine, direkt an und auf den Donez. Dort erwischte es ihn als Schlagmann auf einem Boot. „Die erste MG-Garbe, die kam, kriegte ich am Schlag direkt verplättet. Ich bin über Bord, in den Donez rein. Drumherum die ganzen Granaten und was da noch so kam. Das kriegt man in dem Moment gar nicht mehr mit. Ich war knapp über Bord, da gab es einen Knall, ein Volltreffer in meinen Floßsack (Gummiboot). Da sind die anderen einundzwanzig, die drauf waren, in die Luft geflogen. Ich war der einzige, der lebend rauskam.“ Schwer verletzt. Nur weil keine Zeit war, wurde Gerhard sein Bein nicht amputiert.
Allerdings blieb es sein Leben lang eine schmerzhafte Erinnerung sein Leben lang, wurde nie wieder, wie es vor dem Krieg war und bereitete ihm bis zum Lebensende Probleme.
„Zum Glück muss Gerhard das, was jetzt passiert, nicht mehr erleben“, sagt seine Frau.
Gerhard selbst äußerte in unserem Gespräch mit Blick auf DAMALS und HEUTE:
„Ich finde, alle, die Politik machen, müssten irgendwie eine Art Frontbewährung machen müssen. Zum Beispiel könnten die mal eine Stunde unter Artilleriebeschuß leben. Danach können sie dann sagen: „So, jetzt machen wir Politik.“
NIE WIEDER KRIEG! „Als geplagtes Kriegskind“ war das Gerhards Gesinnung. ICH WILL KEINEN KRIEG MEHR. KRIEG IST QUÄLEREI! Ich habe sie in allen Formen genossen. Im Feindesland und auch im eigenen Land. NEIN!!!“
Hallo? Hört ihr zu? Hört auf Gerhard! Und Millionen andere, die damals dabei waren. Und die, die heute noch dabei sind. Dabei sein müssen.
Müssen Sie?
Stellt euch vor, es ist Krieg und keiner geht hin.
Was würdest du tun, wenn dir jemand sagt, jetzt ist Krieg und du wirst Soldat?