Briefwechsel

Suche nach Antwort

Eine Rückblende

Pinnow, 21. April 2024
Liebe Emma,

meine Antwort kommt. Nur nicht heute.
Heute bin ich erschöpft und hänge irgendwie zwischen den Zeiten. Zwischen den Welten. Vor drei Tagen noch habe ich in Italien im Fluß gebadet. Umgeben von einer Natur, die ich so noch nie gesehen hatte. Ich habe in einem Örtchen gewohnt, hoch oben auf dem Berg, in einem pittoresken Haus zwischen etlichen anderen pittoresken Häusern, die durch Gänge und Tunnel miteinander verbunden waren. So etwas kannte ich bisher nur aus Filmen. Nun habe ich erlebt, was ich natürlich wusste, dass es so etwas wirklich gibt. Mit richtig echten Menschen.
Ich finde es verrückt; da wird man irgendwo hineingeboren und lebt sein Leben und dann kommt man woanders hin und es ist so anders, so fremd, aber Alltag für diejenigen, die dort wohnen. Clara hat es ganz genauso empfunden. Am liebsten, das sagte sie mir, hätte sie in die Köpfe der Menschen geschaut, um zu sehen, ob sie ähnliche Gedanken denken wie wir oder ganz anders ticken, womöglich nur NPCs (den Begriff kannte ich bis dahin nicht) sind. Spannend.

Seit vorgestern sind wir zurück im kalten Deutschland und gleich in Hannes Geburtstag gefallen. Da war nichts mit ankommen, ich musste (und wollte) gleich da sein, für meinen Jüngsten. Jetzt ist er auch schon vierzehn. Wie die Zeit vergeht.

Beim Suchen nach einer Antwort für dich, habe ich einen Text, den ich ziemlich genau vor drei Jahren, am 16. April 2021 für den Verein 1-19 geschrieben hatte, gefunden. Ich schicke ihn dir, als Vorgeschmack auf meine Antwort, die erst noch reifen will.
Heute ist Ausruhen angesagt. Morgen holt mich der Alltag. Ein bisschen freue ich mich darauf. Abtragen. Ich bin so erfüllt, da wird es leicht, all das Liegengebliebene aufzuarbeiten. Wenn ich mich heute ausruhe 🙂

Dir liebe Grüße,
ich melde mich,

Nora.

 

Mutter, Kind und unsere neue Realität
Von Nora Mittelstädt

„Mama, warum willst du nicht, dass ich mich testen lassen?“. Es ist Dienstag nach den Osterferien. Gerade noch rechtzeitig habe ich es geschafft, meine Kinder pünktlich aus der Schule abzuholen. Ich komme direkt aus Berlin. Spontan war ich am Morgen zum Reichstag gefahren, um Frau Merkel und Co. davon abzuhalten, das neu modifizierte Infektionsschutzgesetz durch den Bundestag zu jagen. „Irgendwer muss sie ja aufhalten!“, hatte ich meinem Mann meinen kurzfristigen Entschluss erklärt. Mein Mann kennt mich und weiß, dass mich hin und wieder kleine Anflüge von Größenwahn überkommen. In meinen Gedanken habe ich schon manches Mal die Weltgeschichte gedreht.

So auch heute. Während der siebzig Minuten Fahrt nach Berlin hatte ich mir ausgemalt, wie verwegen es doch wäre, wenn ich einfach in den Bundestag marschieren würde (in dem Film „Kundschafter des Friedens“ hatte ich gesehen, dass so etwas durchaus klappen kann), ans Rednerpult treten und allen Anwesenden klipp und klar erklären könnte, was für ein perfides Spiel mit uns gespielt wird. Die Vorstellung war fantastisch. Vielleicht schreibe ich einmal ein Buch darüber, wie es hätte werden können, wenn …

… ich nicht ganz brav die zweite Wiese hinter dem Reichstag angesteuert hätte, die uns Demonstranten als Versammlungsort genehmigt worden war. Ich bezweifle, dass im Bundestag überhaupt einer unserer Volksvertreter mitbekommen hat, wie ich gemeinsam mit einer sehr übersichtlichen Zahl Gleichgesinnter mit bescheidenen Mitteln (Stimme, Trommel, Spruchbänder) versucht habe aufzuhalten, was momentan offenbar (noch) nicht aufzuhalten ist. Es war ernüchternd.

Dennoch bin ich ganz beseelt, als ich die Autobahn zurück in Richtung Uckermark düse. Wie schon auf unzähligen anderen Veranstaltungen habe ich auch dieses Mal wieder großartige (couragierte) Menschen kennengelernt. Nachhaltig beeindruckt hat mich ein Polizist, der bereits in mehreren Instanzen remonstriert hat. In Ausübung seines Amtes hatte er die Personalien meiner Freunde aufnehmen müssen, die nun ein Bußgeld erwartet, weil sie beim Protest gegen das Ermächtigungsgesetz (darf man nicht sagen) zu dicht beieinander gestanden hatten. Als Polizist im DemoEinsatz erfüllte er damit seinen Job. Als Mensch jedoch erzählte er uns, wie sehr er damit hadere. Mehr noch, er bedankte sich, dass wir gekommen waren und bat uns unbedingt weiterzumachen, damit der ganze Irrsinn ein baldiges Ende habe.

Als ich auf den Schulhof einbiege, läuft mir Achim, der Mentor meiner Tochter Clara über den Weg. Wir sind befreundet und im Austausch. Achim betrachtet die Ereignisse dieser Zeit ähnlich wie ich. Dennoch ist er geneigt sich den Regeln zu beugen. Heute allerdings hat er die Schnauze voll. Obwohl auf dem Schulhof Maskenpflicht besteht, nimmt er seine FFP-Maske ab und schmettert mir seinen Unmut über die neuesten Bestimmungen zur Testpflicht an Schulen nicht nur lautstark, sondern mit voller Mimikuntermalung entgegen.

„Die klauen uns unsere Zeit mit diesem Blödsinn“, wettert er und erzählt, dass er sich die letzte Stunde durch die Bestimmungen zur Testpflicht gelesen hätte, um danach genauso schlau zu sein wie vorher. „Die widersprechen sich in ihren eigenen Anweisungen“, echauffiert er sich. Was soll ich dazu sagen? Ich komme gerade vom Reichstag, ich hätte mit Frau Merkel auch gerne darüber geredet, dass ich meine Kinder auf gar keinen Fall testen (lassen) werde. Jedenfalls nicht ohne Grund.

Vergangene Woche hatte ich der Schulleitung geschrieben, dass meine Kinder mit Beginn der Testpflicht nicht mehr zur Schule kommen werden. Nun rät mir Achim: „Hol dir den Test und unterschreibe, dass er negativ gewesen ist?“ In meinem Kopf überschlägt es sich. Ich sehe meine Kinder, wie sie ihren Negativbescheid abgegeben. Argwöhnisch beäugt von Lehrern, die sich bereits haben impfen lassen, von Kindern, die mit ihren Masken am liebsten schlafen gehen würden und die ihnen nun auf den Zahn fühlen und fragen: „Habt ihr den Test auch wirklich gemacht?“

„Und ihr wollt immer, dass wir nicht lügen!“, empört pufft mich Hannes, mein Jüngster, in die Hüfte. Er muss sich angeschlichen haben. „Nein“, sage ich, „ich will nicht, dass lügst. Und ich will auch nicht, dass hier überhaupt einer lügt oder lügen muss“. Und dann kommt die Fragen, die mich so trifft: „Warum willst nicht, dass ich mich testen lasse?“

Die Frage kommt nicht aus heiterem Himmel. Eine Lehrerin hat Hannes heute zuschauen lassen als sie sich getestet hat. „Das war überhaupt nicht schlimm“, sagt mein Sohn.

Am Abend bespreche ich mein Dilemma mit meinem Mann. Er findet diese Tests nicht unbedingt gut, aber auch nicht dramatisch. Ich bin froh, dass er mich entscheiden lässt. Aber wie soll ich entscheiden?

Angeregt von einer Freundin hatte ich vor einigen Tagen versucht mir vorzustellen, wie es wäre, wenn ich all meinen Widerstand aufgeben und einfach annehmen würde, ich läge mit meiner Einschätzung der Situation falsch. Meine Freundin hatte dieses Gedankenexperiment bereits gemacht und für sich erschrocken festgestellt, wie stur und starr sie an ihrer Sicht festhalten wollte und tatsächlich nicht in der Lage war, ihren Standpunkt aufzugeben. Was wäre, fragte sie mich, wenn genau meine (unsere) Sturheit und Starre uns davon abhielte, in die Lösungsphase der Coronakrise zu kommen?

Ich musste an Lew Tolstoi denken. Schon er hatte gesagt, dass nur wenige Menschen, die wollten, dass sich die Welt verändere, bereit wären, sich selbst zu verändern? Wie sah es nun mit mir aus?

Natürlich bin ich stur und steif. Manchmal aber auch wackelig. Seit einem Jahr wird Angst und Panik geschürt. Das torpediert nicht nur unsere Psyche, sondern schwächt auch das Immunsystem.

Seit einem Jahr studiere ich täglich Informationen zur Corona-Krise. Nicht nur die aus Funk, Fernsehen und Zeitungen, sondern vor allem auch die aus dem Netz. Ich höre KenFM, lese den Rubikon, verfolge Boris Reitschuster und Gunnar Kayser, ich informiere mich bei Sucharit Bhakdi und Wolfgang Wodarg, ich habe das Strategiepapier des BMI zur Kenntnis genommen, ich habe verfolgt, wie Hans Georg Maaßen erklärt hat, wie es funktioniert, wenn Angela Merkel beschließt, dass die Erde wieder eine Scheibe zu sein hat und und und. Jeden Tag kommen neue Informationen. Und jeden Tag komme ich zu dem Schluss, dass hier gehörig was nicht stimmt.

Ich kann den anderen Standpunkt nicht einnehmen. Weil es ein totalitärer Standpunkt ist, der meines Erachtens auf Täuschung und Lügen basiert. Bei dem es um Unterdrückung und Unterwerfung geht. Das widerspricht meinen Werten. Für die ich einstehe.

Wie lange? Um welchen Preis?

Mein Mann, der mir im Grundsatz zustimmt, kommt regelmäßig ins Schwanken. Er kann sich nicht vorstellen, dass seine Helden wie zum Beispiel Jan Böhmermann und Felix Lobrecht falsch liegen, wenn sie die ergriffenen Maßnahmen für richtig erachten.

Noch steht mein Mann hinter mir. Noch akzeptiert er, dass ich eine Revoluzzerin bin, Demos organisiere, nachts mit Kreide Sprüche auf die Straßen schreibe und auch schon eine Ermittlungsanzeige kassiert habe. Aber wie wird er reagieren, sollte der Gegenwind schärfer werden? Das ganz normale Leben schon kostet ihn viel Kraft. Er ist erschöpft und möchte gerne auch mal nur genießen.

Aus diesem Grund würde er die Kinder testen lassen.

Doch ich sage, diese Pandemie ist keine Pandemie. Diese Pandemie ist politisch gewollt. Warum, übersteigt nicht nur meinen Horizont. Wenn ich in Ansätzen erklären will, was ich glaube, verstanden zu haben, werde ich schnell als Verschwörungstheoretikerin eingeordnet.

Warum erkennen so wenige die Verschwörungspraktiker?

Wie soll man seinen Kindern erklären, was einen bewegt, wenn es schon für viele Erwachsene nicht nachvollziehbar ist. Ich versuche es trotzdem. Ich schildere meiner Tochter, dass 99,7 Prozent der Weltbevölkerung gesund sind, dass einige Menschen zwar stark erkranken, dass ich allerdings denke, dass man sie anders schützen müsste, als nun zweimal wöchentlich alle Schulkinder zu testen zu lassen. Mein Sohn rollt mit den Augen. „Ich hab mich schon entschieden“, sagt er. „Ich lass mich nicht ständig testen! Und lügen tue ich auch nicht, das macht Angela Merkel schon oft genug!“

Ich bin baff. Zu Tränen gerührt.

Und dennoch unsicher. Mein Sohn ist zehn Jahre alt. Er kann nicht ermessen, was hier gespielt wird. Er kooperiert. Aber ist es die richtige Entscheidung für ihn?

Zwei Tage später fragt er: „Kann ich das Testen nicht wenigstens mal versuchen?

Was soll ich tun? Ich stecke in der Zwickmühle.

Meine Kinder brauchen andere Kinder!

Aber wenn wir alle mitmachen, wie soll Angela Merkel dann merken, dass es so nicht geht?
Mir ist wichtig, meinen Kindern Werte zu vermitteln. Wie den, für meine Wahrheit einzustehen.

 

Emmas letzter Brief vom 3. April 2024

 

 

 

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