Briefwechsel

Es tut zu weh

Absage

Grieth, 11. Februar 2024

Liebe Nora,

ich habe gerade versucht dich anzurufen. Da ich dich nicht erreiche, schreibe ich dir, was ich dir gerne persönlich mitgeteilt hätte.
Nach wie vor bin ich begeistert von deinen Projekten und finde sie wichtig. Dennoch werde ich mich nicht beteiligen. Ich bin inzwischen siebenundsiebzig und habe beschlossen, mich nur noch mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Zurückzuschauen wäre zu schmerzhaft, die Wende und unser Ankommen hier waren schwere Zeiten, dorthin zurückzukehren, auch wenn es nur in Gedanken ist, will ich mir nicht antun, das würde zu sehr wehtun.
Ich denke, das wirst du verstehen.
Komm du gut durch diese – auch wieder ver-rückten Zeiten,

liebe Grüße, Hannelore.

Ein Gedanke zu „Es tut zu weh

  1. Ich verstehe Hannelore. Rückblickend ist die Zeit seit der Wende für mich eine Zeit vertaner historischer Chancen. Statt des von Gorbatschow angestrebten gemeinsamen friedlichen Haus Europas gibt es eine kaputte Welt, gibt es Krieg in Europa. Friedenssichernde Normen, die mein politisches Denken prägen gelten nicht mehr. Diese Normen sind für mich vor allem a) Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie b)) Unantastbarkeit der territorialen Integrität souveräner Staaten. Der missionarische Eifer mit dem der Westen eine Politik des Regimechange betreibt, mit dem der Westen sich in innere Angelegenheiten anderer Staaten einmischt, hat die Welt instabil gemacht. Die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland (Annexion der Krim) hat einen Krieg in Europa ausgelöst. Das ist belastend, das ist gefährlich und das ist schmerzhaft und bringt mir schlaflose Nächte. Es ist nicht meine Politik, die heute durch die Regierenden gemacht wird. Ich weiß nicht, ob das die gleichen Überlegungen sind, die Hannelore dazu bewegen, sich aus dem Briefwechsel zurückzuziehen. Rückblickend ist für mich in den vergangenen Jahren seit der Wende verdammt viel schief gelaufen und es hätte soviel viel, viel besser laufen können. Dieser Rückblick schmerzt.

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