Noras 2. Brief
Pinnow,
Liebe Hannelore,
mein Leben hält mich gerade ganz schön auf Trab, deshalb antworte ich erst heute – am Dienstag, der ein trüber Regentag ist, aber endlich voller Zeit. Sie rennt nach wie vor immer ein Stück vor mir her. Obwohl, ganz so stimmt das nicht, seit den Sommerferien gelingt es mir immer öfter, sie einzufangen und freundlich an die Hand zu nehmen. Ich habe ein wenig ausgemüllt, in meinem Kopf und vor allem auch meinem Kalender und eine neue Struktur gefunden. Initialzündung dafür war das Buch „Zeit als Lebenskunst“ von Olaf Georg Klein. Klein räumt darin unter anderem mit der Vorstellung (dem Hauptirrtum) auf, dass wir tatsächlich Zeit meinen würden, wenn wir von Zeit sprechen. Er sagt, wir seien mit Zeitmodellen unterwegs. Wir hier in der „modernen“ Welt, schreibt Klein, leben mit der Idee von Zeit als einer geraden in die Zukunft gerichteten Linie. Ich habe sofort die Tartanbahn vor Augen, auf der ich früher etliche Trainingseinheiten verbracht habe, natürlich immer einem imaginären Ziel – meine Zeit zu verbessern, also die vom letzten Training irgendwie einzuholen – hinterherjagend.
Vor meinem Fenster läuft ein ganz anderes Zeitmodell. Die Linde färbt sich langsam braun, die Ahornblätter liegen rot und gelb auf der Wiese, unser riesiger Walnussbaum entledigt sich seiner schweren Früchte – wir haben bestimmt schon zwanzig Kilogram aufgesammelt und es liegen noch mal so viele im nassen Gras. Durch unsere Birken können wir bereits hindurchsschauen. In ein paar Wochen wird unser Garten kahl und trist aussehen, wie tot. Aber dann, im nächsten Frühjahr …Es ist wie mit der Raupe und dem Schmetterling. Eigentlich gefällt mir dieses Zyklusmodell viel besser – vom Werden und Vergehen und Wiederkommen. Weiß der Schmetterling von der Raupe? Glaubst du eigentlich an Wiedergeburt?
Hannelore, was ist das? Kaum schreibe ich dir, gehen meine Gedanken mit mir durch. Da wollte ich doch gar nicht hin.
Sondern dir eigentlich nur meinen kleinen, ich nenne es mal, „Essay“ zu der Frage „Warum hast du nicht mitgemacht“ schicken.
Wie gesagt, ich finde die Fragestellung nicht ganz glücklich, deshalb habe ich meine abgewandelt und würde von den Menschen gerne wissen, warum sie sich in der Coronazeit wie verhalten haben und wie sie diese Zeit und ihren Umgang mit dieser Zeit und den daraus resultierenden Gegebenheiten aus heutiger Sicht betrachten. Es wäre toll, wenn du dich und wenn sich deine Freunde wieder beteiligen würden. Vielleicht hat ja auch Michael Lust…
Ich grüße dich ganz herzlich,
Nora.
Warum habe ich nicht mitgemacht?
Wenn ich es versuche mit Humor zu betrachten, erzähle ich gerne, dass die ganze Corona-Zeit nur meinetwegen über uns gekommen ist. Ich bin ein Kind der DDR, 27 Jahre nach Kriegsende geboren und trotzdem war der Krieg in meiner Kindheit noch absolut präsent. Ich war schon in der 1. Klasse, also mit sieben Jahren, aktiv in der AG „Junge Antifaschisten“. Damals war ich traurig, habe bedauert, dass ich nicht in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt habe. Meine Zeit erschien mir so langweilig, ohne große Herausforderung. Ich wollte doch Antifaschistin sein, wie meine Vorbilder Käthe Niederkircher, Lilo Herrmann, Fiete Schulze, natürlich Ernst Thälmann und und und… Ich war überzeugt, ich wäre eine von ihnen gewesen, unbeugsam. Erst langsam dämmerte mir, dass das gar nicht so zwangsläufig anzunehmen war, vielleicht hätte ich mich geduckt, hätte geschwiegen, wäre Mitläuferin geworden oder sogar Täterin – wer weiß das schon.
Die Corona-Zeit hat mir gezeigt, dass ich mit meiner kindlichen Überzeugung mit Sicherheit Antifaschistin gewesen zu sein gar nicht so falsch lag. Ich war widerständig.
Warum? Wenn ich es – im Sinne von Daniele Ganser – ganz knapp runterbreche, habe ich wohl einfach eine andere Angst gehabt, als alle diejenigen, die, wie immer auch, mitgemacht haben. Ich hatte Angst, meine Freiheit zu verlieren, meine Autonomie und irgendwie – durch die Spritze – auch meine Gesundheit.
Die Angst meines Mannes war eher eine existentielle – er sieht sich als Versorger der Familie, diesen Status wollte er nicht gefährden, dafür hätte er sich – er ist im Gesundheitswesen tätig – fast impfen lassen. Zum Glück bekamen wir genau zum richtigen Zeitpunkt Corona und damit war er sechs Monate lang „geschützt“. Danach war das Thema vom Tisch.
Anfänglich hatte ich Angst vor Corona. Fürchtete in drei Wochen tot sein zu können. Oder schlimmer, eins meiner Kinder. Was tun? Mich aus Angst verkriechen? Nein! Ich wollte, wenn, dann aus dem Leben heraus sterben. Bei uns auf dem Land ging das mit dem Leben ganz gut. Im Prinzip waren wir frei.
Dann erreichten mich erste Botschaften von Menschen, die anders auf das Geschehen schauten. Es gab erste Daten und es gab Mediziner wie Wodarg, Schiffmann und Bhakdi. Warum wurden sie nicht gehört? Sogar verunglimpft? Das machte mich skeptisch. Ich begann Corona und das Drumherum zu studieren.
Ich stolperte über Begriffe wie „symptomlos erkrankt“.
Es dauerte lange, bis im Umfeld meines Umfeldes überhaupt jemand erkrankte. Diejenigen die es traf, posteten fleißig in den sozialen Netzwerken – das musste ja eine schlimme Krankheit sein.
Der Vater einer Bekannten starb an Corona – ein Arzt, 83 Jahre noch immer als Arzt tätig, behandelte er ungeschützt – in unserem hochgerühmten Gesundheitssystem fehlte es einfach an Schutzkleidung.
Ich lernte einen Intensivpfleger kennen, er war Springer, in mehr als einem Dutzend Berliner Krankenhäusern unterwegs. Er zeichnete ein anderes Bild als das, das uns in den Medien verkauft wurde.
Ich fragte mich, warum uns die Regierung keine gesunden Lebensmittel und Vitamin D und C verordnete? Warum sie uns stattdessen einsperrte und uns damit vorbeugende Maßnahmen wie frische Luft und Bewegung nahm? Wie konnte man Sport verbieten? Wie Kultur, wie Beieinandersein? also soziale Medizin? Wie konnte man uns zwingen, uns selbst die Luft zum Atmen zu nehmen – mittels eines Wischs vor dem Mund? Da rebellierte mein gesunder Menschenverstand? Für mich war die Maske von Anfang an ein Maulkorb.
Ich hörte Ken Jebsen.
Ich ging raus, veranstaltete mit Freunden Demos, fand Gleichgesinnte, durchweg schlaue Menschen mit Fachkenntnissen. Wir sind bis heute befreundet – ein positiver Coronaeffekt. Der neue Freundeskreis wächst immer weiter. Dieser Kreis war mein Rückhalt, ist es bis heute.
Mir gefällt die Bezeichnung „moralischer Kompass“. Dem bin ich gefolgt. Ich habe mich belesen, geforscht, recherchiert, ausgetauscht, ich war bereit auch an meiner Sicht zu zweifeln, habe anfänglich sogar gehofft, falsch zu liegen, aber alles was ich mir an (Halb)wissen aneignete, ließ mich immer wieder zu dem Schluss kommen, dass hier etwas gehörig schief läuft. Dass es nicht um unsere Gesundheit geht.
Die Impfung verstand ich viel mehr als Angriff. Und als Einnahmequelle für die Pharmallobby. Normalerweise brauchen Impfungen an die zehn Jahre für ihre Entwicklung. Für das Corona-Therapeutikum wurden alle Sicherheitsstufen über den Haufen geworfen. Es wurde vom ersten Coronatag an als einzige Lösung gehypt.
Plötzlich gab es richtige und falsche Wissenschaftler. Wissenschaftler, die mit – erschütternden Mitteln – mundtot gemacht wurden.
Das Mittel der Wahl für alles – ANGST.
Meine war einfach eine andere, als die vieler anderer Menschen.
Nora Mittelstädt