Briefwechsel

Was haben wir unseren Kindern angetan?

Du kannst mich ruhig Mitläufer nennen

Pinnow, 16. Mai 2024

Liebe Emma,

nun bekommst du gleich noch einen Nachschlag.
Auf der Rückfahrt gestern hatte ich nämlich ein spannendes Gespräch mit Hannes. Er wollte wissen, was ich im Kleinschmidt „gearbeitet“ hatte und da erzählte ich ihm von meinem Brief an dich und meinem Hadern mit Suse und ihrer Maskenintoleranz. Ich sage dir, Kinder sind so schlau. Da saß doch der Hannes da auf dem Beifahrersitz und erklärte mir, wie toll es doch sei, dass ich überhaupt mit Suse (die übrigens seine Patentante ist) über Corona und den daran hängendem  langen Rattenschwanz  reden könne, schließlich hätten wir das so lange nicht gekonnt. Außerdem sagte er – du hättest ihn dabei sehen müssen, mit dieser Weisheit, die da aus seinem Gesicht strahlte – bewege sich Suse doch, dächte inzwischen zum Beispiel anders über das Impfen. Dann nahm er sie noch in Schutz, weil er verstehen konnte, dass sie sich nicht habe früher auseinandersetzen wollen, schließlich sei ihr Leben nicht einfach, drei Kinder, eins davon nicht ganz unkompliziert, der Mann viel unterwegs und dann plötzlich sein Herzinfarkt.
Ich bin immer wieder begeistert. Meine Kinder sind meine größten Lehrer.

Den Herzinfarkt bekam er übrigens fünf Monate nach der Impfung. Tja, man weiß es nicht – hätte er ihn auch so bekommen? Irgendwo habe ich mal gehört, dass sowohl Corona als auch die Impfung Krankheiten, die irgendwo tief in dir schlummern und bei entsprechendem Lebenswandel darauf aufgelegt sind, irgendwann (in zehn, zwanzig Jahren) auszubrechen, aktivieren … Keine Ahnung.

Aber zurück zu meinem Gespräch mit Hannes. Er war ja ein eifriger Maskenträger. Selbst als die Maskenpflicht aufgehoben war, trug er sie noch – so lange, bis das Gros der Menschen um ihn herum sie ablegte. Jens machte es vor. Ich fragte Hannes, ob, wenn denn mal wieder eine Maskenpflicht käme, er eine Maske tragen würde. Er sagte: „Ja“. Und dann sagte er noch: „Du kannst mich ruhig Mitläufer nennen. Aber weißt du, wie schwer das in der Schule ist, wenn man der Einzige ist, der nicht mitmacht?“ Er erinnerte sich an ein Gespräch, das er aufgeschnappt hatte, als er, damals noch Grundschüler zur Hospitation in der Oberstufe war – ein Schüler ließ sich ziemlich abfällig über die Querdenker aus. Und Hannes dachte: Meine Mutter ist eine Querdenkerin.
Halleluja. Was haben wir (wir???) unseren Kindern nur angetan.
Hannes sagte, er will dazugehören. Ich kann das verstehen, total.

Aber ich, das sagte ich ihm, könne mich nicht um anderer Leute Willen verbiegen. Gegen mich selbst.

Weißt du, was Hannes darauf sagte?
„Mama, ich habe dich lieb.“

Emma, das lag mir auf der Seele, das wollte ich dir schreiben.
Jetzt schreibe ich aber etwas für meine Seele – mein Kinderbuch ruft.  Nach Fantasie und Leichtigkeit.

Ich drück dich,
Nora.

 

Lest hier Noras vorangegangenen Brief.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert