Briefwechsel

Gespräche über´n Gartenzaun

Doppelmoralität

Pinnow, 17. März 2024

Liebe Suse,

das (Ver)Urteilen geht weiter.
Gestern Abend schnappte ich über den Gartenzaun, ich saß gemütlich am Feuer, ein Gespräch zweier Nachbarn auf. Der eine, der Vorsitzende unseres „Alten Gemeindehaus“-Vereins erzählte, dass er sich mit der, für unsere Kirche zuständigen, Pastorin getroffen habe und die habe ihm von einem Pfarrer erzählte, Pfarrer Thomas Dietz, der ein Riesenärgernis für die Kirche in der Uckermark sei.
Suse, Pfarrer Dietz ist „mein“ Pfarrer, mein Held und inzwischen ein guter Freund. Er hat mir und so vielen Menschen hier im Umkreis mit seinem Rückgrat Halt gegeben, um halbwegs ungebrochen durch die CoronaZeit zu kommen und gibt ihn noch immer – Corona scheint vorbei, tatsächlich haben sich die Spielfelder ja bloß verlagert, erweitert, erweitern sich täglich weiter…
Seit dem 15. Januar 2021 – ich weiß den Tag noch genau, es war Katharinas Geburtstag – holt Pfarrer Dietz Referenten in seine Kirche, die meist kritisch auf all das, was um uns herum und mit uns geschieht, schauen. Eugen Drewermann war da, Hans-Joachim Maaz, Peter Hahne, René Schlott, Stefan Homburg, Michael Meyen, Thomas-Michael Seibert, Dirk Oschmann, Alexander Christ, zu Neujahr spielte Andrej Hermlin – sie alle geben mir Futter für Geist und Seele.
Und dann höre ich über den Gartenzaun – ja, was höre ich, ist das nur Tratsch? Oder üble Nachrede? Gar Hetze?
Meine Ohren wurden lang und länger, aber das Feuer war zu laut. Mit einer Harke in der Hand (zur Tarnung) pirschte ich näher. Das bekamen die beiden, sie waren so im Gespräch, gar nicht mit. Zweimal noch hörte ich Thomas´ Namen, doch dann ging das Gespräch in eine andere Richtung.
Wahrscheinlich war es gut so. Ich hätte mich nur aufgeregt.
Ich rege mich auf! Umso mehr, als eben jener Vorsitzende zwei Stunden später den Verteiler des Alten Gemeindehauses – wie inzwischen mehrfach für seine eigene politische Meinung/Mission – missbrauchte, um zu einer Demo gegen Rassismus und für Demokratie aufzurufen. Beim letzten Mal, schrieb er noch dazu, habe er zwölf oder dreizehn Personen aus Pinnow gesehen. Es wird also registriert, wer dabei war.
Schade, dass diese Demo dieses Mal nicht unter dem Slogan „gegen Hass und Hetze“ firmiert. Das hätte irgendwie noch besser in mein Bild dieser woken Doppelmoralität gepasst.
Du merkst, ich rege mich immer noch auf.
Mir kommt die Idee, mal hier direkt in Pinnow eine „Demo für den Frieden“ zu organisieren – ich bin mir sicher, die beiden wären nicht dabei. Oder doch? Am Rande, als Gegenprotestanten mit der Forderung nach Waffenlieferungen in die Ukraine?
Verzeih mir meine Ironie, Satire, Häme – ich bin es so satt.
Hast du inzwischen mit Kristina gesprochen?

Liebe Grüße, Nora.

PS: Vergangene Woche lief beim Kontrafunk ein, mir wieder Kraft gebendes, Interview mit Pfarrer Dietz. Ich schicke dir mal den Link zum Reinhorchen. https://kontrafunk.radio/de/sendung-nachhoeren/lebenswelten/gesellschaft-3-0/gesellschaft-3-0-mit-pfarrer-thomas-dietz

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