Nachdenkereien

Ein Brief aus Rußland

Krieg ist ein Ort, den es nicht geben sollte!

Der Krieg war weit weg als ich 2019 begann Menschen, die im 2. Weltkrieg noch Kinder waren, zu ihren Kriegserlebnissen, ihren Erinnerungen an diese Zeit zu befragen. Eines dieser inzwischen alt gewordenen Kinder war Heide, Jahrgang 1940 und mit Ende des Krieges Vollwaise. 1943, kurz vor seinem „Verschwinden“ schrieb ihr Vater einen berührenden Brief an sein kleines Heidelein.
Inzwischen ist der Krieg noch ein paar Jahre weiter weg und dennoch so viel näher.
Warum? Wofür?
Krieg ist ein Ort, den es nicht geben sollte! Nirgendwo auf der Welt!

Väter gehören nach Hause und nicht an die Front!

Rußland, 31. Juli 1943

Mein liebes Heidelein,

neulich flog ein Schwälbchen ein Stückchen mit uns als wir auf staubiger Straße marschierten. Manchmal blieb es auf dem Telefondraht sitzen und zwitscherte uns allerlei vor, als würde es fragen, wer bist du?
Was sollte ich ihm sagen? Ein Soldat? Ein großer Junge, der Krieg spielt? Nein, ich sagte, dass ich ein Vati bin und erzählte von meinem kleinen Mädchen, von dir mein Heidelein. Von deinen blonden Haaren und deinen kecken Sommersprossen. Ich trage deine Fotografie immer bei mir, schaue sie mir jeden Tag an. Ich habe sie auch dem Schwälbchen gezeigt. Es fragte, wo du zu Hause bist. Und weißt du was? – das Schwälbchen glaubt dich zu kennen. Hast du es mir geschickt? Sollte es mich grüßen?
Das Schwälbchen ist ganz froh, weil es hier so viele Mücken gibt. Hast du ihm davon erzählt?
Es war schön, sich mit dem Schwälbchen zu unterhalten. Eine ganze Zeit ist es neben uns geflogen, immer neben und über unserem marschierenden Zug auf der staubigen Straße so weit weg von zu Hause, hier vor Riga.
Nun lässt dich, mein liebes, artiges Heidelein das kleine Schwälbchen grüßen und bittet dich, allen Schwälbchen in Neu-Zittau zu bestellen, dass es hier noch viele, viele Mücken und Fliegen gibt, die unglaublich gut schmecken.
Nur wir Soldaten mögen die Mücken gar nicht. Sie stechen so garstig.
Aber nun ist ja das Schwälbchen hier und frisst sich satt und wenn du noch mehr schickst, ist bald keine Mücke mehr zum Stechen da.
Ich hab dich lieb mein Heidelein. Mir geht es gut.
Spiel schön und sei innigst gegrüßt von deinem Vati.

2 Gedanken zu „Ein Brief aus Rußland

  1. Ja, Kriege sind Orte, die es nicht geben sollte. … und ja, leider gibt es sie. Es sind UNORTE Väter und Söhne kommt nach Hause zu den Schwalben daheim. Ein sehr berührender Brief. .

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